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Ost-Berlins Ulbricht-Tempel wird Kohl-Museum

DDR-Ministerrat entsorgt Ost-Museum für deutsche Geschichte ans Westberliner Deutsche Historische Museum/ Plötzlich kommt Kohls umstrittenes Geschenk doch zum eigenen Haus/ Sind 180 Mitarbeiter des Ost-Museums nun arbeitslos?  ■ Aus Berlin Gabriele Riedle

Im Handstreich hat sich die DDR nun auch offiziell ihrer Geschichte entledigt: Am Wochenende wurde das Ostberliner Museum für deutsche Geschichte im Zeughaus Unter den Linden aufgelöst. Barockgebäude inklusive Personal und Exponatensammlung wurden entsprechend einem Beschluß des DDR-Ministerrates von Ende August vom DDR-Bildungsministerium an die noch im Aufbau befindliche und ohne eigenes Ausstellungshaus arbeitende Westberliner Deutsche Historische Museums GmbH „zur Nutzung“ übergeben. Der Direktor der DDR-Institution, Wolfgang Herbst, wird vorzeitig in Pension geschickt, Chef des nun entstandenen Einheitsmuseums wird Christoph Stölzl, der Westberliner Leiter des Deutschen Historischen Museums (DHM). Bis die nun erfolgte vorzeitige Übergabe mit dem 3. Oktober endgültig in Kraft treten kann, steht Stölzl dem Vereinigungsgeschenk, das vorerst noch nicht ganz geschlossen werden soll, kommissarisch vor. Verhandelt wird zunächst vor allem, welche der zur Zeit noch 180 „Dienstkräfte“ des Ost-Museums von der wesentlich kleineren und bisher gerade mal 30 Mitarbeiter beschäftigenden West- Institution übernommen werden — und zwar „entsprechend den Notwendigkeiten der Aufgabenerfüllung des Deutschen Historischen Museums in angemessenem Umfang“, so der Ministerrat.

Während andere in den beiden Teilen Berlins doppelt vorhandene Kultureinrichtungen weitgehend relativ gleichberechtigt miteinander vereinigt werden, läßt sich das „sozialistische Geschichtsmuseum“ freiwillig glatt vom Westen schlucken, als bedingungslose Kapitulation vor der übermächtigen Unfähigkeit des selbständigen Umgangs mit der eigenen Geschichte. Walter Ulbrichts Identitätsstiftungsinstitut, 1953 mit der Ausstellung Karl Marx — Leben und Werk eröffnet, wird damit zur von Helmut Kohl 1987 gegründeten und immer noch umstrittenen entsprechenden Gegeneinrichtung, die zur Zeit mit Bismarck, Preußen und Europa debütiert, radikal gewendet. Getroffen wurde die Entscheidung zur Liquidierung des Staatsmuseums wiederum von ganz oben, vom Staat selbst, und zwar ohne vorangegangene öffentliche Diskussion und ohne Einbeziehung der betroffenen Museumsmitarbeiter. Entschieden wurde überdies noch in guter alter zentralistischer Tradition — in letzter Sekunde, bevor die föderalistische Kulturhoheit des Landes Berlin auch für dessen Ostteil gilt — ohne Senat (West) oder Magistrat (Ost) zu fragen, ob und welches Museum man unter welcher Federführung unter welchen Bedingungen im schönsten Berliner Barockbau haben wolle. Denn auch für den Fall, daß das DHM wieder aus dem Zeughaus ausziehen sollte, hat der untergehende DDR-Zentralstaat noch schnell vorgesorgt. Dann wolle man dort ein „Preußenmuseum“, bestimmte der Ministerrat.

Empört zeigte sich über das Zusammenspiel von Ministerrat, Bundeskanzlerinteressen und DHM aber lediglich die Westberliner AL-Fraktion. Mit dem „Coup“ dieser Übernahme trete nicht nur das DHM in seinen alten Schatten als Staatsmuseum zurück, das sich dazu hergebe, die Schlacht der Systeme auf Kulturebene auszutragen, die autoritäre Einmischung des Staates in das Kulturleben sei auch das falsche Signal an die sich neu formierende Gesellschaft, erklärte deren kulturpolitische Sprecherin, Sabine Weißler. Der SPD-geführten Westberliner Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten hingegen kam dieser „Coup“ offenbar nicht ungelegen: Schon eine Woche vor dem Ministerratsbeschluß hatte Senatorin Anke Martiny in einem Brief an den Bundesinnenminister erklärt, sie begrüße eine Unterbringung des Deutschen Historischen Museums im Zeughaus „bis zur Fertigstellung eines Neubaus“, was, auf dem Umweg über Bonn, die Geschichtsentsorgungsfreudigkeit in Ost-Berlin sicher unterstützt haben dürfte.

Hintergrund wiederum für den Wink aus West-Berlin ist der dort immer noch ungeklärte Streit in der rot- grünen Koalition: Während man bei Regierungsübernahme noch vereinbart hatte, Helmut Kohls 400 Millionen D-Mark teures Museumsgeschenk dankend abzulehnen, hatte sich die SPD schon bald dazu durchgerungen, sowohl dem Museum generell wohlzuwollen als auch den geplanten riesigen Neubau des italienischen Architekten Aldo Rossi auf dem von Kohl gewünschten Gelände gegenüber dem Reichstag notfalls zu akzeptieren — allein schon deshalb, weil Bonn nicht müde wurde, jede einzelne Mark Zuwendung an Berlin von der Zustimmung zum Rossi-Bau abhängig zu machen. Solche Bereitschaft brachte der SPD allerdings heftige Kräche und trennungsreife Koalitionskrisen mit der Alternativen Liste ein, die dem Rossi-Bau nach wie vor nicht zustimmen will. Wenn Lothar de Maizière jetzt also Helmut Kohl sein ausgedientes Generalsekretärsmuseum als wohlverdientes und ihm von Berlin so lange verweigertes Kanzler-Memorial schenkt, das dieser wiederum den Berlinern gar nicht erst umständlich anzutragen braucht, weil es ja ohnehin schon mitten in der Stadt steht, ist zumindest die SPD ihre Sorgen fürs erste los, sowohl mit der AL als auch mit dem Bund. Denn während man dem Bund erklärte, daß Berlin keine Entscheidung gegen den Rossi-Entwurf getroffen habe, dieser aber zufrieden sein muß, daß das heimatlose Nationalmuseum doch noch über Nacht zu einem eigenen, wenn auch kleinen Haus und beträchtlichen Sammlungsreichtümern gelangt ist, kann man in der AL hoffen, den teuren und dann erst recht schwer zu rechtfertigenden Neubau damit doch für lange, lange Zeit vom Tisch zu haben.

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