: Auf den Spuren Barbarossas
Europapokal der Pokalsieger: 1. FC Kaiserslautern — Sampdoria Genua 1:0/ Sampdoria errötet, Trainer Vujadin Boskov wird von den Schatten der Vergangenheit eingeholt und ärgert sich ■ Von Günter Rohrbacher-List
Betzenberg (taz) — Schon bei der Auslosung zur ersten Runde im Europapokal der Pokalsieger muß Vujadin Boskov, der jugoslawische Trainer von Sampdoria Genua, Böses geahnt haben. Das Los fiel auf den 1. FC Kaiserslautern, seit sieben Jahren international abstinent und wahrlich keiner der ganz Großen auf dem Fußballerdball. Aber Boskov erinnerte sich mit Schaudern an den 18. März 1982. Mit einem 3:1- Vorsprung war er damals in die Pfalz gekommen, mit Real Madrid, und als die neunzig Minuten vorüber waren, hatten acht Madrilenen (San José, Pineda und Cunningham sahen rot) mit 0:5 verloren, waren der Atmosphäre auf dem Betzenberg nicht gewachsen gewesen und schlicht „gedemütigt worden“ ('El Pais‘).
In der Pfalz zog man deshalb gerne Parallelen, hieß doch der Coach des FCK auch diesmal, wie vor acht Jahren, Karl-Heinz Feldkamp, und der hatte ja bereits Wunder bewirkt: den Abstieg verhindert, die Bremer im Pokal geschlagen und damit den internationalen Auftritt ermöglicht. Noch im Frühjahr hatte der lokale Literat Michael Bauer ein „Gebet geje de Abstiech“ kreiert, höhere Instanzen um Gnade für die „Roten Teufel“ ersucht: „Bewahr, oh Herr, de Betze vor dem Los!“
Auch vorgestern zog Boskov den kürzeren und er ärgerte sich so sehr, daß er der Pressekonferenz fernblieb und den italienischen Journalisten frustriert vor der Samp-Umkleidekabine seine Wut offenbarte: Geärgert habe er sich über Kaiserslautern, daß beide Platzverweise provoziert habe: „Jedesmal, wenn ich Kaiserslautern sehe, gibt es Fausthiebe und Rippenstöße. Es ist nicht würdig, das Land der Weltmeister zu vertreten.“
Ja, die Genuesen hatten es eilig nach dem Spiel. Sie wollten schnell nach draußen in den Bus, zurück nach Ligurien, weg von der satanischen Stätte. FCK-Trainer Feldkampp sah sich in seiner verhaltenen Siegprognose („Wir haben eine Chance“) bestätigt, bedauerte nur, „daß wir das zweite Tor nicht gemacht haben, der schönste Spielzug ohne Krönung blieb“.
Aber er war zufrieden mit den Seinen, die ohne Reinhard Stumpf und Rainer Ernst auskommen mußten. Waren es 1982 Wolfgang Wolf (heute Stuttgarter Kickers), Andreas Brehme (jetzt Inter Mailand) und der Ex-Sampdoria-Pfälzer Hans-Peter Briegel gewesen, die ihre spanischen Gegner abblockten, so agierten diesmal CSFR-Libero Miroslav Kadlec, sowie die Ex-Homburger Kay Friedmann (gegen Vialli) und Tom Dooley (gegen Mancini) erfolgreich. Sie ließen die konterstarken Blau-Weißen nie richtig gefährlich werden. Allerdings — die richtige Betzenbergstimmung kam nie auf, da beide Trainer eine gnadenlose Manndeckung verordnet hatten und sich deshalb nur wenige schöne Spielzüge entwickeln konnten. Der Holländer John Blankenstein zog neben den roten noch sieben gelbe Karten aus seiner Tasche.
Wer weiß, wie das Spiel gelaufen wäre, hätte der überragende brasilianische Libero Toninho Cerezo sich nicht kurz vor der Pause verletzt. Seine Herausnahme zwang Boskov zum Umstellen, und die Lauterer profitierten davon. Allen voran Frank Lelle. Dieser, ein eher kleinwüchsiger Spieler, dessen Aussehen an den Kasper aus dem Puppentheater erinnert, zivil ein Grünrock wie einst auch Stefan Kuntz, wurde initiativ, zeigte, daß man auch im „Kackstreifenhosen-Look“ mutig sein kann. Mit ihm wirbelte Marco Haber, ein 18jähriger Vorderpfälzer, der den beiden schußabstinenten Kuntz und Hotic mehrmals demonstrierte, wie man Gianluca Pagliuca in Bedrängnis bringt. Doch die Devise der Pfälzer war, „nur ja kein Tor einfangen“, wie es doch den Dortmundern vor Jahresfrist eben gegen jenen Gegner passiert war.
So begannen schon viele der 33.000 Zuschauerinnen und Zuschauer, mit dem 0:0 zufrieden zu sein, als doch noch der quirlige „Kasper“ Lelle einen Eckball erzwang, den Hoos hereingab, Friedmann verlängerte — Kuntz hielt seinen Kopf dran, 1:0. Minuten vorher war Bonetti zwangsweise nach Hause gegangen. In der Folge stürmte nur noch der 1. FCK, doch das 2:0 wäre etwas zu glücklich gewesen, Die letzte Chance für Stefan Kuntz verhinderte schließlich der schon mit gelb bedachte Marco Lanna in letzter Minute so ungeschickt, daß er Bonetti nach draußen folgen mußte.
Stefan Kuntz und die Seinen werden nun am 3. Oktober mit einem dünnen Vorsprung, aber ohne Gegentor, auf den Spuren Barbarossas, des Kaiserslauterer Stadtpatrons, wandeln, der im 12. Jahrhundert gleich mehrere Züge gen Italien unternahm und bei seinem dritten in einem Fluß ertrunken sein soll. Im Rückspiel darf Vujadin Boskov zwar Moreno Mannini wieder einsetzen, Sampdoria wird aber unter den beiden Hinausstellungen leiden. So könnte den Lauterern — Feldkamp gegen Boskov zum vierten — ein ähnliches Schicksal wie ihrem Kaiser Rotbart erspart bleiben.
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