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Fusionskontrolle mit anglo-deutscher Dominanz

Heute beginnen die EG-Kartellwächter in Brüssel mit ihrer Arbeit/ Der Streit um Industrie- oder Wettbewerbspolitik bleibt  ■ Von Dietmar Bartz

Vom Personellen her ist eigentlich alles klar. Der für den Wettbewerb in der EG zuständige Kommissar ist mit Leo Brittan ein Thatcher-Vertrauter. Der Chef der Generaldirektion IV, Claus Dieter Ehlermann, ist ein Deutscher. Der Chef der „task force“, die innerhalb dieser Abteilung gebildet wurde, ist mit Colin Overbury wieder ein Brite, und unter den Beamten, die aus den Mitgliedsländern nach Brüssel ausgeliehen wurden, stellen die Deutschen wiederum das größte Kontingent.

Bei der Fusionskontrolle der Europäischen Gemeinschaft, die heute in Kraft tritt, dürfte also die anglo- deutsche Dominanz gesichert sein. Derzeit 46 Kartellwächter sollen darüber wachen, daß die Welle von Fusionen, die in den letzten Jahren durch den werdenden Binnenmarkt schwappte, in wettbewerbsverträgliche Bahnen gelenkt wird. Das heißt zum einen, daß eine noch weitergehende Mono- und Oligopolbildung, als es sie jetzt schon in der EG gibt, nicht zugelassen werden soll. Die kleine Schar von ExpertInnen hat damit eine Regulierungsaufgabe für den Erhalt der Konkurrenzwirtschaft übernommen. Zum anderen ist die Fusionskontrolle ein Instrument der Auseinandersetzung innerhalb der EG selbst: Der an vielen Fronten geführte Kampf zwischen der traditionellen Industriepolitik südeuropäischer Prägung, in der der Staat kräftig in der Wirtschaft mitmischt, und der Wettbewerbspolitik, die von Großbritannien und der BRD befürwortet wird — hier hat der Staat möglichst wenig selbst zu wirtschaften, sondern für „günstige Rahmenbedingungen“ zu sorgen.

In Paris oder Rom ist es selbstverständlich, daß mit großen Industrie- und Bankengruppen Konzerne gebastelt werden und Politik gemacht wird — sei es zur Regionalförderung, zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen EG-, vor allem aber US- und japanischen Konzerne, zuweilen auch aus parteipolitischen Erwägerungen oder schlichtem Prestigedenken. Eine Vorstellung, bei der sich bundesdeutschen oder britischen Marktwirten der Magen herumdreht — zumindest theoretisch. Die Daimler/ MBB-Fusion mit ihren Milliardensubventionen hat ihre Position allerdings erheblich geschwächt.

Ein hartes Jahr lang wurde zwischen den Mitgliedsländern einerseits und gegenüber der Kommission andererseits darum gerungen, welches dieser beiden Konzepte für die Fusionskontrolle bestimmend sein solte — und der Streit wird anhalten. Weitgehend haben sich zwar die deutsch-britischen Vorstellungen durchgesetzt, obwohl just in die Zeit der Verhandlungen um diese Verordnung die Haussmann'sche Ministererlaubnis für die Daimler/MBB- Fusion fiel.

Und auch das Know-how liegt hauptsächlich bei den „nördlichen“ Fachkräften, weil innerhalb der EG außer der BRD nur Großbritannien, Frankreich und im Prinzip auch Irland über eine eigene Fusionskontrolle verfügen. Mit Wohlwollen hat das Bundeskartellamt auch registriert, daß bei zwei Spitzenfällen der letzten Wochen, Daimlers Einstieg beim spanischen Lkw-Konzern Enasa und dem Versuch der Lufthansa, Interflug zu schlucken, kein Unterschied in den Bedenken zwischen Brüssel und Berlin aufgetaucht ist.

Gerade deswegen aber kommt den Ausnahmegenehmigungen (siehe obenstehenden Kasten) eine besondere Bedeutung zu. Schließlich haben die EG-KommissarInnen das letzte Wort. Und weil die FusionskontrolleurInnen eben nur die allergrößten Fälle prüfen wird, sind es gleichzeitig auch immer die allerpolitischsten. Auch wenn die 46 oder später einmal 85 ExpertInnen, streng an Recht und Gesetz gebunden, ihre Stellungnahmen abgegen, gerät der Kreis der 17 Spitzenbeamten nahezu unabweisbar in die Rolle einer institutionalisierten Ministererlaubnis.

Etwa 60 Fälle sollen künftig jährlich auf den Schreibtischen in Brüssel landen, grob geschätzt zehn davon wären bislang vom Bundeskartellamt entschieden worden. Die Großvorhaben, die in den letzten Tagen bekanntgeworden sind, werden denn auch gleich die ersten sein, die von Brüssel inspiziert werden: Pirellis Vorhaben, den bundesdeutschen Reifenhersteller Continental unter seine Kontrolle zu bringen, und der Wille der spanischen Regierung, den Zuschlag für die Enasa-Mehrheit der Fiat-Tochter Iveco zu erteilen.

Fortsetzung morgen

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