piwik no script img

Hintertür für den Verfassungsschutz

■ Der Ausschluß der Geheimdienste aus dem Stasi-Nachlaß ist nicht gewährleistet Der Verfassungsschutz soll bei Aufklärung von Straftaten Stasi-Informationen bekommen

Berlin (taz) — Nutzung oder Übermittlung von Daten aus der Hinterlassenschaft der Stasi für nachrichtendienstliche Zwecke wird ausgeschlossen.

Freudestrahlend präsentierten die Unterhändler Schäuble und Krause diese Formulierung als eines der Essentials im Streit um die Stasi-Akten. Der Weg war freigemacht für die Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der gestern der „Einigungsvertrag“ in Bundestag und Volkskammer verabschiedet wurde. Die genaue Formulierung läßt jedoch die Zweifel, die nicht nur die Besetzer der Normannenstraße — ihren Hungerstreik fortsetzend — artikulieren, durchaus berechtigt erscheinen. Der Ausschluß der Datenübermittlung gilt kategorisch nur für den Bundesnachrichtendienst. Der Verfassungsschutz soll für die „unumgängliche Mitwirkung bei der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten“ in den Genuß von Stasi-Informationen kommen. Einmal abgesehen davon, daß das Nähere durch eine Benutzerordnung geregelt werden soll und der Verfassungsschutz sich bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Ordnung Abstinenz auferlegen muß, irritiert die konkrete Formulierung.

Qua Verfassungsschutzgesetz, das ab 14. Oktober auch für das Territorium der DDR gelten wird, soll der Verfassungsschutz (VS) verfassungsfeindliche Tendenzen beobachten und im Falle eines Falles seinem Dienstherrn melden.

Die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten gehört nicht zu den Aufgaben des VS sondern sind originäre Polizeiarbeit. Auch wenn Aktenanfragen des VS über einen Staatsanwalt laufen sollen, bleibt offen, wozu die genannte Formulierung den Geheimdienst tatsächlich befugt. Der größte Teil der zur Strafverfolgung benötigten Akten liegt bereits jetzt beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Der gesamte Extremismuskomplex der Stasi wurde dem Zentralen Kriminalamt übergeben und ging von dort nach Karlsruhe. Der Zugang für den Verfassungschutz kann nur der Abgleich von Verdächtigen im weitesten Sinne sein, ohne jeden konreten Verdacht einer Straftat. JG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen