Was passiert mit den Mauer-Millionen?

■ Zwischenbilanz beim Mauer-Abriß: Verkaufserlöse liegen immer noch auf Regierungskonto/ Ein Kuratorium soll über die Verteilung entscheiden/ Mauer-Beauftragter Koch darf Mauer-Akten nicht dokumentieren/ Mauer-Teile bis nach Usbekistan

Mitte. Bis zu 140.000 Francs kosteten die Trümmer plötzlich. Die graffitiüberzogenen Mauerstücke von der Kreuzberger Waldemarstraße waren eine der Sommer-Auktionshits im südlichen Monte Carlo. Madame Hennessy und andere Prominente von der Côte d'Azur griffen auch deswegen gerne zu, weil die Auktion einem guten Zweck diente. Ein Teil der Erlöse sollten dem kränkelnden DDR-Gesundheitssystem und der Denkmalpflege des verfallenden Landes zugute kommen.

Aus der guten Absicht wurde bisher nichts. Das Geld liegt immer noch auf einem Verwahrkonto der DDR-Regierung. Dorthin überwiesen haben es die beiden Firmen, die bei der Monaco-Auktion und anderen Verkäufen auftraten: »Limex- Bau« (Ost) und »Lelé Berlin Wall« (West). Im Fall von Limex (jetzt VHG GmbH) betrug das Wohlfahrtsschärflein vor der Währungsunion 100 Prozent, danach »weit über 50 Prozent«, wie Elfi Goetsch von Limex versichert. Bei Lelé in West-Berlin kann Geschäftsführer Christian Herms anfragende Ost- Bittsteller nur an die DDR-Regierung verweisen. »Mich würde auch interessieren, was mit dem Geld passiert«, sagt er.

Im DDR-Kulturministerium ist bisher keine Mark eingetroffen. Auch im Gesundheitsministerium am Alex nicht. Doch Joachim Glomb von der Bauabteilung weiß inzwischen, daß ein »Kuratorium« mit zehn Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Ost und West konstituiert werden soll. Dieses soll dann die Mauer-Millionen verteilen. Wann wird das passieren? »Wahrscheinlich nicht vor dem 3. Oktober«, schätzt Glomb. Fehlanzeige für schnelle Hilfe.

Während DDR-Kliniken und -Schlösser auf Geld warten, geht der Mauerabriß unverdrossen weiter. Gut ein Drittel soll schon geschafft sein. Doch schon seit längerem werden Stimmen gegen den Totalabriß laut. Im Wedding an der Bernauer/Ecke Ackerstraße wollen ein Pfarrer der nahen evangelischen Versöhnungsgemeinde und das Deutsche Historische Museum mit Unterstützung von Regierungsstellen aus Ost und West ein Mauerstück erhalten.

Mit von der Partie ist bei diesem Gedenkstättenprojekt auch Hagen Koch (50), Sonderbeauftragter de Maizières für den Mauerabriß. »Le Mur, c'est moi«, könnte Kochs Devise lauten, denn er ist unablässig in sachen Mauer unterwegs. Er organisiert Mauerstück-Schenkungen an das Friedensmuseum in Taschkent/Usbekistan oder die Kennedy-Familie in den USA und bemüht sich um eine Dokumentation der Grenzanlagen.

Koch, der allen bereitwillig erzählt, daß er bis 1985 als Kulturoffizier in der legendär-berüchtigten Stasi-Truppe »Feliks Dzierzynski« gedient hat, kämpft jetzt selbst gegen die Bürokratie. So verweigerte ihm der Direktor des Militärarchivs Potsdam noch im August eine Mikrofilm- Dokumentation der Mauerakten, darunter Protokolle über Baumaßnahmen und Einsatzbefehle. Einer »Gesamtverfilmung« des Materials könne »nicht zugestimmt werden«, heißt es noch ganz im alten Jargon.

Dank seiner Herkunft aus der kämpfenden Truppe hat Koch sich inzwischen eine weitere Hinterlassenschaft des Mauerfalls sichern können: die Kunstwerke, die den DDR-Grenztruppen gehörten. Grenztruppenchef Dieter Teichmann habe ihm die 237 Stücke mit einem Anschaffungswert von 2,4 Millionen DDR-Mark zugesagt, meint jedenfalls Koch.

Den wiedervereinigten Berlinern wird ein »Grenzmuseum« vielleicht nicht erspart bleiben. Dort könnten dann die Mauerwächter in Eisen weiterleben, so zum Beispiel in Form der Plastik »Grenzposten« von Wolfgang Rommel, Anschaffungswert ehemals 110.000 DDR-Mark. Christian Böhmer