Das peinliche Jein zur Einheit

■ Die langjährigen Gegner der deutschen Einheit schweigen zur Sache KOMMENTARE

Es gehört zu den Spielregeln einer parlamentarischen Demokratie, daß die Opposition die Gesetzentwürfe der Regierungsmehrheit kritisiert und ablehnt. Dennoch hat es etwas Peinliches, wie Grüne, Bündnis 90 und PDS in den beiden deutschen Parlamenten diese Rolle spielten.

Die, die jetzt gegen den Einigungsvertrag stimmten, waren jahrelang davon überzeugt, daß es sich bei der DDR nicht um einen politischen und sozialen Skandal handelte, sondern um einen ordentlichen, mehr oder weniger reformbedürftigen Staat. Und auch die Bürgerrechtsbewegung hielt diesen Staat für verbesserungsfähig. Alle haben sich geirrt, sie sind vom Zerfall des SED-Regimes und dem damit verbundenen Zerfall der DDR als Gesellschaft überrascht worden. Die gegen den Einigungsvertrag stimmten, haben vor einem Jahr noch offen und ohne Wenn und Aber die Einheit Deutschlands abgelehnt. Keiner der Volksvertreter hat sich in den Parlamentsdebatten dieser Woche getraut, dazu zu stehen. Keiner hat die eigene innere Wende erklärt, die ihn plötzlich zum prinzipiellen Einheitsbefürworter machte. Keiner hat verraten, welche ernsthaften und selbstkritischen Gedanken ihn bewegen. Kleinkrämerisch waren die meisten Argumente gegen den Einigungsvertrag. Sie richten sich gegen Detailregelungen.

Monatelang war die Zeit der Verhandlungen und der Kritik an einzelnen Regelungen des Vertrages. Nicht zuletzt die 21 Besetzer der Stasi-Zentrale haben bewiesen, daß die Opposition durch außerparlamentarischen Protest an den Einzelregelungen des Einheitsvertrages Veränderungen durchsetzen konnte. Zu größeren außerparlamentarischen Aktionen haben aber die Oppositionsparteien nicht die politische Kraft. Insbesondere in der sozialen Krise der DDR spielen die Bürgerbewegungen keine Rolle. In der Bundesrepublik haben die Grünen nicht für eine Sonderabgabe votiert, sie haben nicht einmal den „Mut“ eines Lafontaine bewiesen und Steuererhöhungen für Besserverdienende gefordert. Jetzt im Parlament die Ablehnung des Einheitsvertrages damit zu begründen, daß die Summe der Subventionen und Strukturhilfen insgesamt ein paar Prozent höher ausfallen sollte, ist deshalb schlicht Politik-Ersatz. In Berlin regiert die Alternative Liste mit, sie vertritt keine grundsätzliche Alternative.

Grüne und Bürgerbewegungen hätten ihre Zustimmung zum Einigungsvertrag von einer demokratischen Legitimation der Einheit durch eine neue Verfassung abhängig machen können. Zumindest würde man sich dann in zehn Jahren an etwas erinnern können. Diese Forderung haben sie aber nicht zu Verhandlungen benutzt, sondern sie zu einer unter vielen degradiert. Das Sammelsurium von Detail-Kritik hinterläßt angesichts einer Entwicklung, die das Jahrhundert umkrempelt, nur einen unangenehmen Nachgeschmack. Klaus Wolschner, West-Berlin