: Der reiche Mann und das Mehr
■ Hans Grothes Bremer „Visionen“ / Ein Besuch im kleinen Klinkerkönigreich am Hillmannplatz
Hinter den Schaufenstern im Erdgeschoß des Klinker-Glas-Bürohauses hinter dem Hillmannplatz wird noch gebaut. Der geräumige Konferenzraum der nichtgegenständlichen Kunst, mit der die Wand neben der Tür wie gekachelt ist, riecht noch neu. Er gehört zum Büro der „Firmengruppe Hans Grothe Michael Grothe Thomas Grothe“ oder auch „IMG Immobilien Management Gesellschaft“, wie das Schild am Eingang kündet. Vor dem Fenster des Konferenzraums sehe ich die großen Kranarme ragen, die aus dem riesigen Klinkerbau vis à vis binnen Wochen das „Asia Pacific Trade Center“ fertig bauen sollen. Die andere Seite des Bürohauses grenzt an den Hillmannplatz, an dem als drittes Ensembleteil das rotgeklinkerte Hillmann-Center mit Passage, Mariott-Hotel und Grashoffs Feinschmeckerlokal liegt.
Ich sitze im Zentrum eines kleinen Klinkerkönigreichs — Bausumme 200 Millionen — eine Konferenztischecke getrennt vom Eigentümer und „Bauherren“ Hans Grothe. Unter den „Baulöwen“ ist der Duisburger Neubremer kein ganz kleiner. Ihm gehören Hotel-, Büro- oder Geschäftszentren in Duisburg, München, Berlin, aber auch in Columbia und dem Austragungsort der olympischen Spiel 1996, Atlanta, Georgia. Das ist inzwischen nicht mehr die Stadt aus „Vom Winde verweht“ sondern ein Downtown aus Mammutcenters und Shopping Malls, einem Nebeneinander von verglasten Konsum- und Dienstleistungspalästen, die die Öffentlichkeit ersetzen, die einmal auf Forum und Marktplatz begann. Ein Hauch davon, ein ganz kleiner, wird nach Bremen wehen, wenn Hans Grothe sein dreiteiliges Klinkerkönigreich am Hillmannplatz durch eine Untertunnelung verbindet, wie ihm vorschwebt.
Der Löwe hatte, so stand es in der Zeitung, seinen Freund, dem Senatspräsidenten Klaus Wedemeier im Sommer zur Besprechung wichtiger Geschäfte nach Mallorca eingeladen. Nicht auf ein Segel- oder sonst ein Schiff, korrigierte Wedemeier die Zeitungsberichte, Grothe habe gar kein Schiff, er habe dort nur „ein Häuschen“.
Bei den wichtigen Geschäften ist als Nebenidee die Stiftung eines Museums für Bremerhaven herausgesprungen, das aus Hans Grothes Sammlung zeitgenössischer Kunst und einem 25-Millionen-Bau bestehen soll. Das Museum hatte Fragen nach möglichen Gegenleistungen aufgeworfen. Die taz hatte über Hans Grothes Hoffnungen berichtet, die sechs Hektar Park, auf denen das Museum auf der Rickmerswerft entstehen soll, „umsonst“ zu kriegen, sowie über seine Pläne für ein angrenzend zu erbauendes Handelszentrum und den Erwerb der ehemaligen Staatsbibliothek in Bremen.
„Alte Bremer Brasil“ — zu einer Mark das Stück
„Einstein hat gesagt, jeder Mensch soll mindestens einmal im Leben richtig nachdenken. Das ist einer, der denkt täglich richtig nach,“ schwärmt ein Grothe-Bewunderer in der Wirtschafts-Förderungsgesellschaft von ihm. Der Mann habe „Visionen“ für Bremen. Was also ist das für einer.
Er sitzt vor mir in schneeweiß- blauen Hemdsärmeln, mit der Massigkeit des alten Löwen, der aber auch noch flink die Tatze heben könnte, wenn er wollte. Irgendwann zündet er sich das klassische Unternehmersymbol an. Er raucht „Alte Bremer Brasil“, und ich sage, daß ich das gern schreiben würde. „Dann schreiben sie aber bitte, das sind die zu einer Mark das Stück.“ Bei diesem Gespräch sollen falsche Eindrücke revidiert werden und richtige entstehen. Ein solch richtiger Eindruck wäre: Hans Grothe stiftet ein Museum, damit es so wird, wie er es sich vorstellt, nämlich wie das Luoisiana bei Kopenhagen. Ansonsten ist Geschäft Geschäft, hat nichts damit zu tun und wird wettbewerbsmäßig reell betrieben. Widersprüche, die dieses Bild stören, werden ausgeräumt. Hatte er die sechs Hektar Bremerhavener Filetgrundstück beim letzten taz-Gespräch noch „umsonst“ erwartet, so stellt Hans Grothe heute klar: Sie bleiben Eigentum der Stadt. Er stellt nur den Museumsbau drauf und schenkt ihn der Stadt. Darüber ist inzwischen geredet worden. Und das geplante nordosteuropäische Handelszentum in Bremerhaven werde ausgeschrieben. Es wird auch ausgeschrieben, wer Investor wird? — Ja, auch das. — Aber warum ausschreiben, wenn Wirtschaftssenator Beckmeyer ohnehin Grothe als Investor will? — „Ich hoffe, daß ich mich mit meinem Angebot eben dann durchsetzen kann.“
In der Pressemitteilung des Wirtschaftssenators ist zwei Tage später von keiner Ausschreibung die Rede, nur von einem privaten Investor, der die 20 Millionen finanziert. Verhandelt wurde ja auch längst.
Als Hans Grothe berichtet, wie er zum Investieren in Bremen kam, spielen die Wettbewerbe eine wichtige Rolle, außer beim ersten Projekt: Ins Hillmann- Center ist er eingestiegen, als andere Investoren sich übernommen hatten. „Damit habe ich Bremen einen großen Gefallen getan, als das noch eine Ruine war.“ Bei den nächsten Käufen aber, dem zweiten Grundstück am Hillmannplatz, genau wie dem Hirte- Haus Ecke Knochenhauer-Sögestraße, sei es so gewesen: „Ich habe im Wettbewerb das meiste geboten. Und ich habe auch das meiste gezahlt.“ Auch bei der ehemaligen Staatsbibliothek am Bahnhofsvorplatz, die er kaufen möchte, gebe es mehrere Interessenten, und das beste Angebot werde entscheiden.
Für diesmal interessieren mich weniger die besten Angebote und ihre Entstehung, als Hans Grothes „Visionen“. Die hat er, weiß aber auch: „In meiner Branche haben 100 Leute eine Idee. Null komma neun Prozent sind dann in der Lage, sie wirklich organisatorisch zu verwirklichen. Und null komma eins Prozent haben das nötige Geld.“ Daß er über die letztgenannten Raritäten verfügt, hat er bewiesen. Was ist mit den Ideen?
Vision eins: Die Bahnhofsvorstadt. Bremen habe keinen Bahnhofsvorplatz, der seiner Bedeutung gerecht werde. „Sie tun den Blick nach rechts, da sehen Sie eine Würstchenbude. Die schöne Fassade des Überseemuseums sehen Sie nicht, die ist von Buden verdeckt. Dann sehen Sie nach vorn zur Hochstraße und wissen nicht, sind Sie schon an der Autobahn oder nicht.“ Auch eine „hochwertige Kaufstraße“ fehle Bremen, seitdem die guten Geschäfte durch die hohen Mieten von der Sögestraße vertrieben werden. Dafür bekommt es ein Kongreßcenter, das mitten in urbaner Öde liegt. Sehr ungünstig, denn: „Die Frauen bestimmen, ob der nächste Kongreß im gleichen Centrum stattfindet oder nicht.“ Wenn das Kongreßzentrum also funktionieren soll, dann muß eine Shopping Mall in unmittelbarer Reichweite entstehen und zwar eine, „wo es noch anderes als Tritter-Schuhe gibt. Wenn ich da nur alles kriege, was ich in Hildesheim auch kaufen kann, deshalb komme ich doch nicht nach Bremen.“
Den vereinigten Defiziten könnte mit einer Grotheschen Einkaufszeile auf dem Bahnhofsvorplatz vor der Hochstraße abgeholfen werden. Sie würde nicht nur den Platz sinnvoll abrunden, sondern, wie ein Blick auf die Karte lehrt, auch eine ideale Brücke zwischen Grothes Hotel-, Büro- und Handels-Klinkerkönigreich und Bahnhof und Kongreßzentrum herstellen. Und da das Grundstück städtisch ist, könnte man sich vielleicht zu gemeinsamer Verwaltung und einer Mietbindung finden, die gute Adressen nach Bremen lockt. Schon ein bißchen weniger exklusive würden putzen, als Grothe in seinen Bau an der Münchner Maximilianstraße gelockt hat, Jil Sander, Louis Viton und Yves St. Laurent. All das sollte übrigens drei, vier Jahre vor der EXPO in Hannover fertig sein. Wenn schon jeden Morgen ein Sonderzug zur Messe nach Hannover fährt, dann doch erst recht zur Expo 2000.
Vision zwei: Auch der Bremer Flugplatz ist nicht so, wie er sich für eine Weltstadt gehört. Dabei ist Bremen neben Hannover der einzige Flughafen, der noch Kapazitäten frei hat. Es sollte dieses Defizit zum Vorteil nutzen, z. B. gegenüber Frankfurt, das inzwischen ein stressiger Treff für Kaufleute geworden sei: Der erste müsse Stunden warten, bis endlich der letzte nicht mehr über dem überlasteten Flughafen kreiste, sondern am Konfernztisch säße. Grund genug also für eine Konferenz- und Dienstleistungszeile am Bremer Flughafen.
Vision drei: Der Bau eines Studentendorfes bei der Uni. Damit die Studenten wie in Köln und München eine Infrastruktur vorfinden, die das Leben auch nach den Vorlesungen noch lebenswert mache. Packen wirs also an. Lassen wir uns von der Vision von eins zwei drei Grothe-Cities nicht erschrecken. Prüfen wir sie. Uta Stolle
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