: Auftragsarbeiten
■ Der Freien Volksbühne stinkt's schon lange
Unverdrossen probt man »Auf verlorenem Posten« programmatisch Achternbusch, mit und ohne Kamel, während Wasserrohre bersten und die Zukunft von Volksbühnengrund und Boden hüben wie drüben per Senatorinnendekret von einer »interessierten Öffentlichkeit« diskutiert werden soll. Heute abend darf ebensolche Öffentlichkeit mit West-Kultursenatorin Martiny und Ost-Kulturstadträtin Rusta, mit Sandwich-Methoden-Kritiker Lehmann-Brauns und FAZ-Frau Sybille Wirsing diskutieren, auf Einladung der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und ebenda um 20 Uhr. Der Interimsregierende der Volksbühne West, Herrmann Treusch, ist nicht eingeladen. Vielleicht, so meint man in der FVB, ist das auch besser so, damit nicht der Eindruck entsteht, die beiden Volksbühnen, »zwei historisch gewachsene Orte« (Treusch) würden sich schon lange damit tragen, zusammenzugehen, und wütet noch mal über die »absolut schwachsinnigen« und »absurd administrativen« (Tragelehn) Flurbereinigungspläne der Kulturverwaltung. »Unsere Antwort« auf diverse »Positionspapiere« zur Volksbühnenzwangsvereinigung »sind zwei Stücke von DDR-Regisseuren«, als da sind: Müllers Frühwarnung Germania Tod in Berlin, von B.K. Tragelehn aufbereitet, Premiere am 30. September und der Achternbusch-Frischling Auf verlorenem Posten in Gemeinschaftsinszenierung von Peter Brasch und Treusch, Premiere am 7. Oktober.
Am heiligen Sonntag rief die Bühne ihr Volk zur öffentlichen Pressekonferenz, zwecks Spielplanvorstellung und zwecks »Thema Deutschland«. Derweil das Volk (ein ideologischer Begriff«, Tragelehn) sein Thema anderswo fand, sprach die Bühne klar und wahr. Germania Tod in Berlin habe schon vor zwanzig Jahren »alle Gründe und Schwierigkeiten verzeichnet, an dem dieser Versuch, Deutschland zu verändern, gescheitert ist«, meinte Tragelehn und nannte das Stück ein »schönes, trauriges Volkslied der DDR«. Die Gründe des Scheiterns müsse man verstehen und in Gefühl und Verstand abarbeiten, die Gründe für den Versuch, Deutschland zu ändern, seien aber deshalb nicht weg. Vielmehr müßten wir dringend zu einer Kritik des Kapitalismus zurück, da die politische Klasse offenbar keine Vorstellung davon habe, daß die ökologische Katastrophe schon angefangen habe. Und Peter Brasch, der gar sein »Joint-Venture« mit Treusch als »vielleicht ersten Versuch gleichberechtigter Arbeit« glorifiziert, fügt entschlossen hinzu: »Die Utopie lassen wir uns nicht nehmen, auch wenn bestimmte linke Gruppen den Begriff Kommunismus aus ihrem Sprachschatz gestrichen haben und sich christlichen Utopien verschreiben.« Theatermachen, sagt wiederum Herrmann Treusch, habe den Auftrag »Erinnern« in einem Moment, indem überhaupt nicht mehr die Inhalte der Geschichte, sondern nur ihre Kosten interessieren. Da aber muß Tragelehn widersprechen, »man muß immer fragen, was es kostet. Das interessiert vielleicht nicht das Volk, aber die Leute.« Womit man dann doch wieder beim Theateralltag, z.B. bei einer Klimaanlage wäre, die zuweilen, so Treusch, Gerüche von Fäkalien aus dem gesenkten Grundwasser ins Theater transportiert. Erlebnisraum Germania? DoRoh
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