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Das Geburtstagsgeschenk

■ Noch ein Beitrag zur »Woche des ausländischen Mitbürgers«/ Eine Abschiebegeschichte

West-Berlin. Ipek S. wurde mit fünfzehn Jahren schwanger. Ihr Unglück: Sie ist Türkin mit kurdischer Volkszugehörigkeit, lebte im tiefsten Ostanatolien und ist nicht verheiratet. Ihre Familie, verhaftet im traditionellen Milieu, wollte die »Schande« nicht ertragen und trieb sie aus dem Dorf. Ipek flüchtete am 11. Juni 1988 nach Berlin, hier wohnen die Eltern des Freundes, in der Großstadt läßt es sich anonymer leben. Eine Einreisegenehmigung brauchte Ipek damals nicht, Kinder unter 16 Jahren benötigen keinen Sichtvermerk der Ausländerbehörde. Die Arbeiterwohlfahrt übernahm die Vormundschaft, für sie bis zum 18. Lebensjahr und ab Januar 1989 auch für die in Berlin geborene Tochter.

Kurz nach Ipeks 16. Geburtstag, also noch während der Schwangerschaft, beantragte ihr Rechtsanwalt eine formelle Aufenthaltsgenehmigung für die zukünftige Kleinfamilie. Der Antrag wurde von der Ausländerbehörde im Juli letzten Jahres abgelehnt. Die Antragsbegründung des Rechtsanwaltes akzeptierte der rot-grüne Senat nicht, das Mädchen wäre nicht aus politischen Gründen aus Kurdistan geflohen, sondern aus Angst vor einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Und weil sie in Berlin keine leibliche Familie hätte, würde für Ipek nicht das »Nachzugsrecht« gelten. Der Widerspruch des Rechtsanwaltes schmorte über ein Jahr lang unbearbeitet auf den Schreibtischen in der Innenverwaltung. Die Überraschung kam pünktlich zum 18. Geburtstag. Am 30. August teilte die Senatsverwaltung für Inneres Ipek S. mit, daß sie Berlin zu verlassen hätte. Sie wäre volljährig, könne jetzt in der Türkei mit ihrer Tochter selbständig leben und wäre auf die Hilfe von Dritten nicht mehr angewiesen. Ipek droht jetzt die Abschiebung, es sei denn, das Verwaltungsgericht akzeptiert, daß es in der Türkei geschlechtsspezifische Diskriminierung gibt. aku

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