: Menetekel der Ökokatastrophe
■ Die „Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ werten die Golfkrise als letztes Warnlicht vor künftigen Verteilungskriegen als Folge von Naturzerstörung/ Gefahr eines Atomkriegs wächst
Bonn (taz) — Das Ende der Ost- West-Konfrontation, für dessen Abbau die „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW) vor fünf Jahren den Friedensnobelpreis erhielten, ist für den Arzt Till Bastian nicht nur Grund zur Freude. Die Ost-West-Kooperation könnte sich sogar als friedensgefährdend erweisen, befürchtet das ehemalige IPPNW-Vorstandsmitglied, wenn die Industrieländer des Nordens dies als Bestätigung ihrer Lebensweise nehmen. Die Golfkrise ist für Till Bastian deshalb nur das letzte „rote Warnlicht“: Die bestehenden sozialen Ungerechtigkeiten zwischen Nord und Süd, verschärft durch die sich anbahnende ökologische Katastrophe, werden künftig zu Verteilungskriegen führen und auch die Gefahr eines Atomkriegs vergrößern.
Unsere Welt wird immer ärmer — nur an Konflikten nicht, sagt Bastian, Autor der IPPNW-Studie „Naturzerstörung: die Quelle der künftigen Kriege“. Bei der Diagnose einer kranken Welt bleibt er im medizinischen Jargon und spricht von „Komplexerkrankung“: viele Faktoren verstärkten sich gegenseitig — mit katastrophalen Ergebnissen. Als Faktoren nennt er die Erwärmung des Weltklimas, die drohende Versteppung, der Anstieg der Weltmeere und Ernteverluste einerseits, aber auch Bevölkerungszunahme, weitere Verarmung, Verslumung in Ballungsgebieten und Ausbreitung von Seuchen. Nahrungsmangel und Hungersnöte, Aufstände und Unruhen, gewaltige Flüchtlingsströme sind die düsteren Zukunftsperspektiven — und Kriege, denn aus dem Norden gelieferte Waffen sind buchstäblich das einzige, was in der Dritten Welt in Hülle und Fülle vorhanden ist. Die Chancen für herkömmliches diplomatisch-militärisches Krisenmanagement schwänden dagegen zunehmend.
Die Golfkrise ist für das IPPNW deshalb nur die Folge der im Norden betriebenen Rohstoffvergeudung, bei der die Industrienationen in einem Jahr soviel fossile Brennstoffe verbrauchen, wie in einer Million Jahren entstanden sind. Weil ein Bürger in der Bundesrepublik in sechs Monaten soviel Energie verbraucht wie zwei Bangladeshis im ganzen Leben, halte der reiche Norden fest an der „prinzipienlosen Unterstützung von Diktatoren“, kritisiert Bastian: Früher wurde Iraks Hussein als der „liebe“ Diktator gegen den „bösen“ Diktator Chomeini aufgerüstet, jetzt würden die saudischen Diktatoren gegen den zum „Teufel“ erklärten Hussein verteidigt. Für das IPPNW ist deshalb eine friedliche Entwicklung der Welt „unabdingbar verknüpft mit dem Abbau des Nord-Süd-Gefälles und dem Ende der Zerstörung unsere natürlichen Lebensgrundlagen“. Jetzt müsse „zusammenwachsen, was zusammengehört — bei Strafe des Untergangs“. Gerd Nowakowski
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