»Kröten gleich auf die Speisekarte?«

■ Umweltsenatorin Schreyer befürchtet »Entdemokratisierung der Stadtplanung«/ Hauptstadt und Olympische Spiele würden in Hektik vorbereitet/ Diskussion über die Kosten der Hauptstadtfunktion

Berlin. Die Warnung kam von der obersten Planerin der Stadt: Berlin drohe eine »Entdemokratisierung in den Planungsprozessen«, klagte die AL-Senatorin für Umweltschutz, Schreyer, in einer Veranstaltung des Vereins »Stadttor« am Mittwoch abend. Die Ursache sei die »Hektik«, mit der Großvorhaben wie ein neues Regierungsviertel oder Olympische Spiele im Jahr 2000 vorbereitet werden müßten. Verantwortlich für den Demokratieverlust, so Schreyers bittere Klage, seien aber auch die »Ostberliner Kollegen« im Magistrat, die »demokratische Planungsprozesse nicht gewöhnt sind, nicht kennen«.

Die Zahlen, die Schreyer in der dem Thema »Hauptstadt Berlin« gewidmeten Diskussionsrunde vorstellte, klangen beruhigend: Flächen und Gebäude, um die Bedürfnisse einer deutschen Regierung zu befriedigen, gebe es genug. Doch neben diesen Rechenbeispielen, das räumte die Senatorin ein, blieben auch »offene Fragen«. Ein »geschlossenes Regierungsviertel«, etwa auf dem Gelände des Flughafens Tempelhof, wolle sie nicht zulassen. Aber werde nicht trotzdem eine Ballung von Regierungseinrichtungen in den Stadtbezirken Mitte und Tiergarten entstehen und sich damit ein »geschlossenes Machtzentrum« etablieren, das im Fall von Demonstrationen rasch zur Sperrzone erklärt werden könnte? Die »Repräsentationsbedürfnisse« einer Bundesregierung könnten durchaus »Gefahren« mit sich bringen, meinte Schreyer. Auch eine Verdrängung sozial schwächerer Mieter aus der Innenstadt wäre eine »sehr katastrophale Entwicklung« — eine Folge der Hauptstadtfunktion, gegen die Schreyer keine Rezepte anzubieten hatte.

Befürchtungen formulierte auch der Architekt Wulf Eichstädt, der eigentlich als Moderator fungieren sollte, aber es sich selten verkneifen konnte, ein Wort der Senatorin unkommentiert stehenzulassen. Hätte eine mächtige Regierung in Berlin nicht auch die Folge, so Eichstädts Vermutung, daß »der lokalen Seite Macht genommen« würde? Die Subventionen, die in eine Hauptstadt Berlin fließen würden, machten die Stadt gleichzeitig vom Bund »erpreßbar«, so der Architekt.

Das ließ Schreyer nicht unwidersprochen. Unter der »Erpreßbarkeit« leide Berlin als Subventionsempfänger seit jeher, die Bonner Drohungen in Sachen Hahn-Meitner-Institut seien ein gutes Beispiel. Die Hauptstadtfunktion biete gerade die Chance, sich vom Bonner Tropf unabhängiger zu machen. Aber Eichstädt — der den Widerpart zu Schreyer in der Diskussion fast alleine spielen mußte — ließ sich seine Skepsis nicht abkaufen. Man möge doch »Kröten« wie die Hauptstadtfunktion oder Olympia, bitte schön, beim ungenießbaren Namen nennen — und sie nicht gleich umstandslos »auf die Speisekarte setzen«. hmt