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Bagdad verschäft Psychokrieg um Ausländer

■ Allen in Botschaften geflüchteten Ausländern, die keinen diplomatischen Status haben, drohe die Todesstrafe/ Bundesregierung leiht Kriegsgerät an Frankreich aus/ USA und EG-Länder streiten um Interpretation des Luftembargo

New York/Paris/London/Bonn (afp/dpa/ap) — Die Botschaften der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Großbritanniens in Bagdad haben eine Note der irakischen Regierung erhalten mit der Aufforderung, Listen mit den Namen aller Nicht- Diplomaten zu liefern, die sich in ihren Vertretungen aufhalten. In der Note wurde daran erinnert, daß das Verstecken von Ausländern mit der Todesstrafe geahndet werde. Nach Angaben des französischen Außenministeriums vom Donnerstag ging diese Note allen diplomatischen Vertretungen in Bagdad zu. Das Auswärtige Amt in Bonn erklärte am Donnerstag auf Anfrage, die bundesdeutsche Botschaft in Bagdad habe ebenso wie die anderen EG-Vertretungen eine Note des irakischen Außenministeriums erhalten. Sie sei bereits am Mittwoch abend im Kreis der EG-Botschafter erörtert worden. Derzeit werde eine einheitliche Haltung im EG-Rahmen angestrebt. Die Schweiz protestierte am Donnerstag gegen die Note. Sie stelle einen Verstoß gegen die Wiener Konvention zur Immunität von Diplomaten dar. US-Außenminister James Baker nannte die Note, die ihm am Mittwoch aus Bagdad übermittelt worden war, „abstoßend“. Das State Department erhob förmlich Protest bei dem irakischen Botschafter in den USA, Mohamed el Maschat. Das Londoner Außenministerium wies die Note ebenfalls zurück. Die spanische Regierung wies am Donnerstag zwei irakische Diplomaten aus und schränkte die Bewegungsfreiheit der irakischen Botschaftsangehörigen erheblich ein.

Das amerikanische Außenministerium wollte die Angelegenheit zunächst nicht weiter kommentieren, veröffentlichte aber den Text der irakischen Note: „Die Resolution Nr. 341 des Revolutionären Kommandorates vom 26.8.90 setzt fest, daß das Beherbergen eines Ausländers mit dem Zweck, sie oder ihn vor den Behörden zu verstecken, ein Verbrechen der Spionage ist. Wer solch ein Verbrechen begeht, soll mit dem Tode bestraft werden.“ Gefragt wurde nach amerikanischen Staatsbürgern und Ausländern sowie danach, ob sie Verträge mit der Regierung hätten oder für ausländische Gesellschaften im Irak arbeiteten. Washington weigere sich strikt, diese Liste auszuhändigen, hieß es. Zuvor war in Bagdad bekannt geworden, daß die Ausländer im Irak und in Kuwait von Montag an keine Lebensmittel mehr erhalten. Gleichzeitig taten sich zwischen den USA und ihren Verbündeten Meinungsverschiedenheiten bei der Auslegung des am Mittwoch von der UNO verhängten Luftembargos auf. Die USA wollen die Blockade im Unterschied zu einigen westlichen Verbündeten auch auf Passagierflugzeuge angewandt wissen. Evakuierungsflüge von Ausländern aus dem Irak und Kuwait sollten aber weiterhin möglich sein. Der britische Außenminister Douglas Hurd versicherte, daß nur Fracht-, nicht aber Passagierflüge verboten seien.

Die Bundesregierung wird Frankreich im Golfeinsatz unterstützen. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Donnerstag in Bonn bestätigte, erhalten die Franzosen leihweise eine Anzahl von Panzerabwehrraketen der Typen Milan und Hot 2. Eine genaue Zahlenangabe machte der Sprecher nicht. In der 'Süddeutschen Zeitung‘ war von 1.700 Milan- und 2.000 Hot-2-Raketen die Rede. Die Raketen, die von beiden Ländern gemeinsam produziert würden, sollen später von den Franzosen zurückgeliefert werden. Wie der Sprecher ferner mitteilte, wird die Bundesregierung der Türkei ein „Kontingent“ Gasmasken liefern. Auch hier nannte er keine Zahlen. Ein Bericht der 'Süddeutschen Zeitung‘, wonach Bonn über die Lübecker Firma Draegerwerk 500.000 Gasmasken an Saudi-Arabien liefern wolle, wurde vom Sprecher nicht bestätigt. Allerdings sei der Hardthöhe bekannt, daß die Saudis in Kontakt mit dem Unternehmen stünden.

In einer bisher einmaligen gemeinsamen Erklärung forderten die Sowjetunion und die Europäische Gemeinschaft in New York den Irak zum Rückzug aus Kuwait und zur Freilassung aller ausländischen Geiseln auf. In der in der UNO-Mission der UdSSR ausgearbeiteten Erklärung drohten sie indirekt erneut mit einem militärischen Einsatz, sollte sich Bagdad weiterhin weigern, den Resolutionen der Vereinten Nationen Folge zu leisten.

Zur Eindämmung der Ölspekulationen beschloß US-Präsident George Bush, die strategischen Ölreserven des Landes anzugreifen. Er ordnete am selben Tag den Verkauf von 5 Millionen Barrel Erdöl aus der Reserve von rund 590 Millionen Barrel des Landes an. Damit solle getestet werden, wie die USA im Falle einer Öl-Krise reagieren könnten, teilte der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, in Washington mit. Bush will außerdem Saudi- Arabien noch in diesem Jahr mit Waffen im Wert von 7,5 Milliarden Dollar (rund 12 Milliarden Mark) beliefern. Nach Angaben des Weißen Hauses sollte der Liefervertrag noch am Mittwoch abend dem US- Kongreß zugeleitet und am Donnerstag offiziell bekannt gegeben werden.

Die NATO-Staaten gehen davon aus, daß die Gefahr von Terrorangriffen seit dem irakischen Überfall auf Kuwait gewachsen ist. Bei einem Treffen von Vertretern der NATO- Staaten mit dem US-Koordinator für Terrorismusabwehr, Morris Busby, und Terrorexperten aus der Bundesrepublik, Großbritannien und Griechenland am NATO-Sitz in Brüssel seien sich die Partner am Mittwoch einig gewesen, daß die Bedrohungssituation ernst zu nehmen ist, hieß es in Brüssel.

Der französische Staatspräsident Francois Mitterrand hat am Mittwoch abend angeordnet, den Firmen zu helfen, deren Mitarbeiter im Irak als Geiseln gehalten werden. Er rief die Unternehmen auf, im Irak festsitzende Angestellte nicht zu entlassen. Tags zuvor war bekannt geworden, daß das französische Ingenieurbüro Gerip zehn im Irak festsitzenden Beschäftigten schlicht gekündigt hatte.

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