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„Das ging gegen 'Bild‘“

■ Bewaffnete verteidigten Leipziger Springer-Postille

Berlin (taz) — Schießerei in Connewitz: um zwei Uhr knallen Schüsse in der Hermannstraße 20. Etwa 15 „Eindringlinge“, wie es später nach Polizeiinformationen heißt, versuchen sich Einlaß in die Leipziger Vertriebsstelle der 'Bild‘-Zeitung zu verschaffen. 30 Minuten darauf erscheint ein Einsatzwagen der Polzei, greift jedoch nicht ein. Ein AT-Computer, sechs ungetragene Bomberjacken und einige Waffen aus der Bild-Vertriebsstelle wechseln den Besitzer, ein Kleintransporter geht in Flammen auf. Für Jochen Meier, Vertriebsleiter mit regionalen Exklusivrechten für die Springerblätter 'Bild am Sonntag‘ und 'Welt am Sonntag‘, ist die Sache eindeutig: „Das ging nicht gegen Rechts, das ging gegen 'Bild‘“. Eine „organisierte Aktion der Linken“, sagte er der Leipziger DAZ, die den Fall recherchiert. Als organisiert indes ist eher der „Objektschutz“ der Vertriebsstelle Meiers zu bezeichnen, und zwar einer von paramilitärischer Art. Meier hat den 18jährigen Peter und den 19jährigen Dirk für je 1.000 Mark monatlich als „Stallwache“ angeworben, zur ihrer Ausrüstung zählen zwölf Gaspistolen und drei Schlagknüppel mit Gasstrahl. Die Jungens bezeichnen sich als „Neonazis“, Dirk ist bei der Wiking-Jugend. Was Wunder, daß Anwohner des nahegelegenen „Alternative e.V.“ angesichts von Boulevardblattpionier Meiers provokant aufgrüsteter 'Bild‘-Zentrale in aggressive Stimmung verfallen. So geriet natürlich die Alternative sofort in Verdacht, zumal die Aktion im dortigen „Café Spontan“ ihren Ausgang nahm.

Also alles klar? Wohl nicht. Nachweislich waren nur zwei der 15 'Bild‘-Besucher Vereinsmitglieder der Alternative. Und geplant war von denen auch nichts, denn sogar Vertriebsleiter Meier sagt über die Akteure, daß sie kurz vorher nicht recht wußten, „ob sie nun mit 'ner Flasche Wein oder 'nem Knüppel losziehen sollten.“ Die auffallend zurückhaltende Polizei will Meier nun anzeigen. Viel Wirbel um eine dubiose Randale, bei der 'Bild‘ als harmloses Opfer dasteht. Ist das die rechte PR-Aktion? Thomas Worm

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