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Lockere Stricher, lustige Stifte

■ »Alles Banane« — Zeichner aus Ost und West huldigen der deutschen Frucht am Chamissoplatz

Ohne näher definiertes Ziel wollte man auf die rasante Entwicklung im Ostteil Deutschlands reagieren — letztendlich blieb man denn auch beim Endpunkt dieser Entwicklung hängen: der Vereinigung. Die Rede ist von einem der letzten Joint- ventures zwischen den Deutschen der beiden Staaten. Es findet pünktlich ein paar Minuten vor Ultimo seinen Abschluß — das neue Rotbuch und die dazugehörige Ausstellung Alles Banane.

Gute Erfahrungen hatten Zeichner, der Rotbuch Verlag und die Galerie am Chamissoplatz mit dem mittlerweile verjährten Projekt Schnell im Biß gemacht. Ernst Volland und die heutigen Akteure hatten versucht, einen Berliner Zeichnerstammtisch einzuberufen. Als dann die Mauer fiel, kam man ohne größere Umwege auf die Idee, auch den sturmfreien Osten miteinzubeziehen. Am 9. Februar gab es dann das erste Treffen zwischen Ost und West im Kreiskulturhaus Prater. Logischerweise gab es starkes Interesse aus dem Westen dahin, wie die Leute aus der Sparte »Lustiger Buntstift« auf den Zerfall alter Ideologien und auf die sich abzeichnende Vereinigung reagieren würden. Außerdem wollte man sich zusätzlich ein paar talentierte Zeichner an Land ziehen. Und so ganz nebenbei durften sich die mutigen Kritiker der gesellschaftlichen Verhältnisse in beiden Teilen Deutschlands auch kennenlernen. Zuerst einmal hatte es auf beiden Seiten Berührungsschwierigkeiten gegeben, zumal die nachgewachsene Generation aus Ost-Berlin nichts mit den privilegierten Karikaturisten vom 'Eulenspiegel‘ und dem Künstlerverband zu tun haben wollte. So ganz unrecht hatten sie wohl nicht, denn es war damals noch keine drei Wochen her, da hatte Elephantenpress alle »neuen« Zeichner an der Haustür abgewimmelt, um statt dessen mit denen eine Ausstellung zu machen, die auch vordem schon in Mexiko und Amsterdam ausstellen konnten. Man war mißtrauisch.

Die »Sektion Karikatur- und Pressezeichnung«, wie sie sich nannte, stand in der Hierarchie des Verbandes Bildender Künstler (VBK) ziemlich weit unten. Es gab kaum Bewegung in der Namensliste von spritzigen Zeichnern. Auf den zentralen DDR- Kunstausstellungen in Dresden waren Design und textile Wandgestaltung umfangreicher vertreten als die Karikatur. Die Witzzeichnungen, die sich einige Dauergäste in der DDR- Presse erlauben durften, legten mitunter allerdings eine solch zurückhaltende Beurteilung auch nahe. Die Tagesglosse war in den Zeitungen über Jahre hinweg in den Händen einiger »Stars«, wie Schrader für die 'Junge Welt‘, Jacek für die 'Berliner Zeitung‘ und Rauwolf für den 'Eulenspiegel‘. Was man sich da manchmal ansehen mußte, war so jämmerlich verblödet, daß es eigentlich schon für'n Medizinischen Rettungsdienst gereicht hätte. Als Ansprechpartner hätten die und ihresgleichen eigentlich für ewig dikreditiert sein sollen — doch ganz so eng sah man das im Westen wohl nicht.

Noch Ende letzten Jahres konnte der Ostberliner Stadtrat für Kultur und spätere Oberbürgermeister Hartenhauer den Katalogtext für eine Karikatur-Werkschau im Ausstellungszentrum am Fernsehturm nicht nur zensieren, sondern sogar ersatzlos streichen. So, daß zu dieser Ausstellung ein Katalog mit weißen Vorwortseiten erschien. Bei solchen Querelen nimmt es nicht wunder, wenn es die Zeichner nun nach Möglichkeit vorzogen, nicht mehr im 'Eulenspiegel‘ und Verwandtem zu veröffentlichen. Rotbuch kam da gerade recht.

Letztendlich hat sich die Zusammenarbeit wohl als fruchtbar erwiesen. So kotzt zusammen, was zusammen gehört. Initiator Holger Behm vom Rotbuch Verlag: »Wir sind daran interessiert, daß sich die Leute kennenlernen und zusammenarbeiten. Die Zeichner aus dem Osten sind stellenweise handwerklich gut drauf.« Das sind sie, wie man im Band Alles Banane sehen kann. »Notorische Zweifler und Beinanpinkler« nennt die Galerie am Chamissoplatz die beteiligten Zeichner, die hier parallel zum Buch ausgestellt werden. Knapp ein Drittel davon stammen aus der ehedem anderen Republik.

Doch Beinanpinkeln und guter Wille reicht nicht immer. Die Wirklichkeit ist schneller und holt uns allemal wieder ein. Tenor der ausgestellten Arbeiten: »Das hab' ich nicht gewollt!« Notorisches Zweifeln und Beinanpinkeln reicht tatsächlich nicht, manchmal sollte man auch Humor haben und zeichnen können. Das Buch Alles Banane teilt sich in zwei Hälften: in eine schlechte und eine gute. Das klingt so banal wie hart, doch dafür kann der Rotbuch Verlag rein gar nichts. Denn es scheint so, daß es hier im Westen bis auf zwei Ausnahmen nur talentlose Plagiatoren und humorlose Sprechblasenartisten gibt. Ausnahmen: F.W. Bernstein, wie immer, und seine undramatischen grausig-schönen Blätter; Michael Sowa, der in diesem Band mit zwei doppelseitigen Tableaus vertreten ist, die zum Besten gehören, was Berlin im Moment zu bieten hat. Was dann noch an Cartoons von westlicher Seite aufgeboten wird, kann man getrost überblättern. Zwei Themen scheint man hier zu haben: Kohl und die »DDRler«. Schnippelbuch-Dieb und Vignetten-Artist Kriki gleitet unrettbar in drittklassige Bananensoufflés ab, Freimut Wössner hat mit dem Ulbricht-Memorial und dem Rest seiner Zeichnungen entschieden zuviel Platz in diesem Band. Doch einer fehlt in diesem Band — wo ist Fil, der beste Strip-Zeichner aus Berlin?

Dem Team Schwartze/Hansen scheint es ebenso wie Hogli an dem zu gebrechen, was man gemeinhin Humor nennt. Man gewinnt den Eindruck, das sie nichts zu sagen haben. Aber es gibt ja auch einen guten Teil, und der hat mit Detlef Beck einen fleißigen Vielzeichner zum Protagonisten. Becks spitznasige Gestalten sind locker vom Strich, doch durchaus nicht harmlos in dem, was sie erzählen. Beck ist wie auch Fickelscherer aus Ost-Berlin. Fickelscherer macht keine Witze, die an der aktuellen Tagespolitik und ihrer Kurzlebigkeit zerbrechen. Er ist 24 Jahre, doch seine Strips sind allemal das skurrilste und graphisch interessanteste, was dieser Band zu bieten hat. Fickelscherer: »Ich habe keine Lust, die deutsche Humorlosigkeit zu bedienen.« Klaus Vonderwerth, ebenso Ost-Berlin, freischaffender Graphiker, sieht sich nicht unbedingt als Cartoonist, sondern: »Ich bin mehr ein satirischer Graphiker.« Was man seinen Zeichnungen auch ansieht. Sie sind nicht nur subtil humorig und aufwendig in der Schraffur, sondern auch angenehmerweise ohne jeden erhobenen Zeigefinger. Hans-Jörg Reitheimer

»Alles Banane« noch bis zum 18. November in der Galerie am Chamissoplatz. Zur Ausstellung erschien im Rotbuch Verlag das Buch »Alles Banane«, 96 Seiten, 19,80 DM.

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