: Perestroika an der Potse
■ Welcome to the club: Der subversive Buchstabe
Die alten Männer haben nicht aufgepaßt — und schon ist Subversives geschehen. Daraus kann eine Lawine werden. Wir haben dies vergangenes Jahr hautnah erlebt. Diese Warnung schickt die taz heute in die Potsdamer Straße an die geschätzten KollegInnen vom 'Tagesspiegel‘. Dort ist nämlich Unfaßbares passiert: In der 13.685.Nummer im 46. Jahrgang auf Seite 9, Spalte 3, Mitte. Dort steht ein Artikel über die langbeinige Denise (O-Ton: 'Tagesspiegel‘), die strippend die Cottbuser Männerwelt erfreut, Eintritt fünf DM. Doch der Sprengstoff liegt nicht in Denises ostdeutschen Reizen — sondern in Zeile drei. Wir zitieren: »Rund 40 Cottbuser (und zwei -Innen) hocken zur Mittagszeit im Stadthallenklub dichtgedrängt...« Richtig, das haut einen förmlich aus der Zeile. Das Große »I« hat die seriöseste der Seriösen erobert — das Große »I«, jenes Kind der taz, Inbegriff feministischer Machtgelüste und schamlose Schändung des Erbes Luthers, Goethens und der Gebrüder Grimm. Der Schlimmste aller schlimmen Buchstaben hat Platz genommen in jener Zeitung, die sich weltweit einen Namen gemacht hat im Kampf gegen diesen Buchstaben und gerade in der vergangenen Woche noch einmal einen verzweifelten Tageskolumne der feminisierenden Schreibweise gewidmet hatte. Und nun, so ganz einfach über Nacht, völlig unerwartet, etwas zaghaft noch und leider auch falsch (es hätte heißen müssen CottbuserInnen oder Cottbuser und -innen) ist der Damm gebrochen. Mit Blick auf den Herbst '89 schwant uns Schreckliches: Bald schon wird die Titelzeile lauten Der TagesspIegel gefolgt von der Headline: Genscher trIfft AußenmInIsterInnen. Dann wird eine leibhaftige Frau zu kommentieren beginnen, man wird frech multikulturell bei Kriminalmeldungen über jugendliche Langfinger und diebische Putzfrauen die Adjektive türkisch oder jugoslawisch weglassen, die älteren Herren werden harsch in den Ruhestand geschickt, die RedakteurInnen bilden Runde Tische und radeln schließlich gar mit Rucksäcken zu Senatspressekonferenzen...
befürchtet in großer Sorge
Thomas KuppInger
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