piwik no script img

Unterm Strich

Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober ist nach Auffassung des Schriftstellers Christoph Hein nicht das Ende der DDR-Literatur gekommen. Wie er in einem Interview des 'Morgen‘ (Sonnabendausgabe) sagte, werde es auch nach diesem Datum „noch so etwas geben, was wir als DDR-Literatur bezeichnen können“. Sie werde „möglicherweise doch ein paar Unterschiede“ zur Schweizer oder zur westdeutschen Literatur haben. Das liege auch an den Literaten, die „ja an diesem Tag nicht aufhören und neu anfangen“. Das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten werde nach seiner Ansicht „lange dauern und schwierig sein“. Am 3. Oktober erfolge lediglich die Vereinigung „auf dem Papier“. Tatsächlich aber werde sie „in den nächsten Jahren und Jahrzehnten“ erfolgen. „Und in dieses Zusammenwachsen wird die ehemalige DDR doch einiges einbringen“, meinte Hein. Zugleich warnte der Dramatiker vor einem „vehement erwachten Chauvinismus“ in der DDR, dessen Wurzeln für ihn in sozialen Ängsten und Unruhen liegen. Hier sei „etwas Fürchterliches wie Nationalismus oder Neonationalismus“ enstanden, der „größer ist als in der BRD“. Er fürchte, daß die „sehr schnelle“ Einigung Deutschlands die Einigung Europas „eher behindert“. Auch ein Eurozentrismus wäre Hein zufolge fatal. „Zumal mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ohnehin der Abstand der dritten Welt von dieser sogenannten 'ersten Welt‘ größer wird“. Der 3. Oktober ist für Hein auch ein Verdienst von Christa Wolf. Wenn, wie er sagte, in den vergangenen Jahren „ein paar Leute wie Christa Wolf oder die Vertreter der Bürgerbewegungen das Land verlassen hätten, dann hätten wir am 3. Oktober einen normalen Arbeitstag und am 7. Oktober würde eine sehr alte Volkskammer eine sehr große Feier machen“. Daß es nicht zu dieser „sehr abstrusen Feier“ gekommen ist, sei u.a. auch ihr Verdienst, betonte der Schriftsteller.

Arbeiten der Malerei und Grafik aus den späten 80er Jahren stellt Arno Rink, Rektor der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, seit Freitag in der Galerie der Hochschule aus. Nach einem Jahrzehnt der „Zurückhaltung“ — die letzte Personalausstellung des Künstlers war 1981 — begegnet man einem veränderten Rink: nicht mehr die wohlbekannten leuchtend-lasierenden Farben und scharfen Konturen beherrschen die meist großformatigen Bilder, sondern aufgebrochene Strukturen und eine zwar noch immer intensive, aber mit mehr Grautönen vermischte Farbigkeit, schreibt 'adn‘. Einen klaren blauen Himmel zu malen, halte er schon seit Jahren nicht mehr für möglich, erläutert Arno Rink in einem Gespräch. 1989, als während der Mai-Demo Bürger verhaftet wurden, entstand das ganz von starkem Rot beherrschte Gemälde „Ich verbrenne meine Bilder“. Er habe das eine halbe Stunde lang wirklich gewollt, weil ihm der Slogan vom Künstler, der gebraucht werde, als nicht tragfähig erschien, sagt Rink. Arno Rink in Leipzig — das war die letzte Vernissage eines DDR-Künstlers in der noch „real existierenden“ DDR. Sie war zugleich Empfang zum 50. Geburtstag des Künstlers. Die Ausstellung ist bis 31. Oktober geöffnet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen