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Bürgerbewegung als Gewissen der Volkskammer

■ Rückblick der Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne: Man hörte ihnen zu, entschied aber oft anders im Parlament

Berlin (adn) — Man habe ihnen zwar zugehört, ihnen aber zu selten zugestimmt: So werten Vertreter der 20 Abgeordneten der in der Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne vertretenen Bürgerbewegungen den Erfolg ihrer parlamentarischen Arbeit seit den Märzwahlen. Allerdings meint Parlamentsvizepräsident Ullmann doch, die WählerInnen würden die Arbeit der Fraktion durch ein Wahlergebnis deutlich über fünf Prozent bei den Landtagswahlen am 14. Oktober honorieren.

Als einen wichtigen Erfolg nannte der Vordenker der Bürgerbewegungs-Fraktion, daß eine Verfassungsdiskussion in einem geeinten Deutschland unumgänglich sein wird. Die Volkskammer habe wenigstens in Ansätzen den moralischen Willen des Hauses gezeigt, sich mit der Stasi-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dem widersprach Christine Grabe (Grüne Partei), eine der BesetzerInnen der Normannenstraße. Im Parlament sei „die moralische Deformation deutlich geworden“.

Als einen wichtigen Erfolg nannte Vera Wollenberger (Grüne Partei) die Tatsache, daß das Konversionsgesetz nicht restlos abgeschmettert werden konnte. Dieses Gesetz, das „auf Anweisung aus Bonn von der Regierung blockiert worden war“, werden die 144 Abgeordneten, die nach Bonn ziehen, in die Diskussion im Bundestag einbringen. Ein waches Auge, mahnte die Bürgerrechtlerin auch aus eigenem Erleben, sollte das geeinte Deutschland auf den Strafvollzug behalten. Die Angestellten dieser Einrichtungen auf bisherigem DDR-Territorium seien auf jedem Fall nach dem „Folterparagraphen“ des Strafgesetzes zu überprüfen, ehe sie in den Beamtenstand übernommen werden. Noch werde in DDR-Gefängnissen geschlagen, würden eigentlich verbotene Arreststrafen angewandt und die Briefe der Häftlinge unrechtmäßig ohne deren Anwesenheit geöffnet, sagte die B-90-Spitzenkandidatin für den Bundestag.

Wahlbündnis wird neu überdacht

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrecht wollen Vertreter von Neuem Forum, Demokratie Jetzt, Vereinigter Linker, den DDR-Grünen und der Initiative Frieden und Menschenrechte das Wahlbündnis mit den West-Grünen neu überdenken. Es sei jedoch noch von niemandem aufgekündigt worden, hieß es. Wie Bärbel Bohley erklärte, wird das Neue Forum einen Alleingang überprüfen. VertreterInnen von IFM und Vereinigter Linker waren sich einig, daß man bei aller Neuüberlegung auf Zusammenarbeit an der Basis nicht verzichten könne. Die Ost-Grünen würden eventuell den grünen Zusammenschluß zurückstellen, um nicht das DDR-Bündnis zu gefährden.

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