: „Just do it“: Wettlauf der Sportartikelkonzerne
Vom Hinterhofschuhgeschäft zum Turnschuhriesen: Nike-Chef Phil Knight kickt Adidas vom Siegertreppchen/ Was tun mit dem Air Trainer SC High II? ■ Von Klaus Madzia
Palo Alto, mitten im Silicon Valley. Ich brauche neue Schuhe. Schneller Einkauf beim nächsten Sportladen. Vor dem „Foot Locker“-Geschäft um die Ecke spielen drei Jungs Basketball. Ein farbiger 1,95-Meter- Riese ruft „Just do it“ und landet einen Treffer.
Wieder ein Punkteverlust für den fränkischen Sportartikelkonzern Adidas. „Just do it“ ist der Slogan, den Regisseur Spike Lee („Do the right thing“, „Mo' better blues“) in seinen TV-Werbespots verfilmt hat. In wacklingen 30-Sekunden-Filmchen zeigt Lee in ein paar Sketchen mit einem telegenen Profibasketballspieler, wie toll die Turnschuhe der US-Firma Nike sind. Geschrieben hat er seine Spots für Phil Knight. Vor 19 Jahren begann der Self-made- man aus Oregon, japanische Tennisschuhe zu verkaufen. Aus dem Hinterhof-Schuh-Geschäft ist inzwischen das globale Sportartikelunternehmen Nike mit einem Jahresumsatz von 2,24 Milliarden US-Dollar (rund 3,6 Milliarden DM) geworden. Dieses Jahr konnte Nike endlich Adidas vom Siegertreppchen des weltgrößten Sportartikelherstellers stoßen.
Um die finanzielle Talfahrt des taumelnden Sportriesen Adidas zu bremsen, haben sich die fünf Stämme des Familienunternehmens schließlich darauf geeinigt, dem Franzosen Bernard Tapie 80 Prozent der Aktien zu verkaufen. Jetzt soll bei Adidas saniert werden. Derzeit sind dort noch 9.500 Leute beschäftigt, bei Konkurrenten wie Reebock oder Nike weniger als die Hälfte. Die meisten Entlassungen wird es in Frankreich geben, wo Adidas acht von insgesamt zehn Werken betreibt. Aber auch in Franken werden bald Hunderte von Näherinnen auf dem Weg zum Arbeitsamt sein.
Nike wie auch Konkurrent Reebock fanden bei ihrer Marktforschung heraus, daß Imageträger wie Tennis-Boris ganz nett, modisches Design aber wichtiger ist. Der Amateursprinter Phil Knight träumte den amerikanischen Traum: Aus dem Verfolgerpack ausbrechen und die Firma an der Spitze — Adidas — überholen. Diesen Traum verkauft er jetzt täglich in seinem Werbespot im Music-Video-Sender MTV oder in Magazinen wie „Rolling Stone“ oder „Time“.
In den Tageszeitungen kursiert die Meldung, daß ein paar Kids schon wegen ihrer bunten Nikes erstochen wurden. „Ich hasse diese Publicity“, mault Phil Knight, „unser Produkt steht für Fitneß, das ist ein nobler Wert.“ Was er unter sportlichem Wettkampf versteht, verrät er in 'USA Today‘: „Wir verteidigen unseren Vorsprung bis in den Tod.“
Ich schaue mich bei Foot-Locker um. Überall Reebock und Nike. Für jeden Sportler ist gesorgt, Schuhe in allen poppigen Comicfarben. Die Idee lieferten Kids aus den schwarzen Ghettos und Rap-Musiker, die vor ein paar Jahren anfingen, ihre weißen Schuhe mit Sprays in den Farben ihrer Gangs zu kennzeichnen.
Der Verkäufer Mike steht der Farbenpracht nicht nach. Zur corporate identity der Foot-Locker-Gang gehören schwarzweiße Streifen mit ebensolchen Schuhen. Mike rät mir zum Nike Air Trainer SC High II, ein Allroundschuh, denn ich kann mich noch nicht so richtig für eine bestimmte Sportart entscheiden. Bei dem Namen wundere ich mich, daß keine Gebrauchsanweisung zum Schuh mitgeliefert wird. „Nein, nein, einfach anziehen.“ Mike gafft. Die Europäer sind eben immer etwas langsam.
Der Schuh paßt. Der Blick aufs Preisschild: 109 Dollar. Aus dem Fernseher in der Ecke des Ladens kommt Bestärkung. Dort läuft gerade eine Talkshow, und Filmemacher Lee quatscht über seinen neuen Jazzfilm, der „wichtig ist, und ich lasse mir von niemanden vorwerfen, zu kommerziell zu sein“. Sein Nike- T-Shirt steht ihm gut. „Bei Woody Allen hat auch niemand nach dem Kommerz gefragt“, fährt er den TV- Kritiker an.
Bevor ich mich wieder auf den Highway mache, kaufe ich noch schnell so ein Nike-T-Shirt. Vielleicht reicht es dann wenigstens zum Drehbuchautor. Mit den „Just-do- it“-Schuhen als Siebenmeilenstiefel bestimmt.
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