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“Freiraum“ erstmal gerettet

■ Kulturklimatischer Lichtblick: Geld auf die Hand und Stellen auf dem Dach

Die kulturell-etatistische Großwetterlage ist immer noch, vor allem zum finanzsenatorialen Terrain hin, ungewiß; wie und bei wem die Kürzungen im Haushalt 1991 ausgeglichen werden, ist noch nicht raus.

Die kulturelle Kleinwetterlage gibt aber, nach einem ersten Aufklären durch die Erlösung von DACAPO aus dem Fegefeuer der Stellenlosigkeit, ein zweites Signal für besser Wetter: das Freiraumtheater bekommt die 95.000 Mark, die es zur Deckung der laufenden Kosten (Miete, Energie) für 1990 beantragt hatte. Das Geld kommt aus dem 1.8 Mio. Topf, den Henning Scherf, Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst, durch BIWIKU-Binnen- Umschichtung zusammenkratzen lassen hat. Es ist noch keine Absicherung durch den Haushalt, ist aber versehen mit einer Zusage der Deputation, „für die Folgejahre, Zuschüsse zur Existenzsicherung in vergleichbbarer Höhe“ zu gewährleisten.

Das Freiraum-Theater, bisher einmal mit Ach und Krach und 10.000 Mark (!) alimentiert, hatte seinen Gastspielbetrieb eingestellt und für den Fall, daß es auf weiteres Kreativhungern verwiesen wird, für das kommende Jahr mit Einstellung seines Betriebs überhaupt gedroht. „Wir sind erstmal froh, daß wir aus der Krise rauskommen,“ so Jürgen Müller-Othzen gestern zur taz. Ein besonderer Grund zum Jubeln ist für ihn, daß nun der Gastspielbetrieb wieder aufgenommen werden kann, obwohl es gerade dagegen den stärksten Widerstand gegeben hatte.

Die Stille, die vor sich hindümpelnde Binnenkommunikation, das jäh nachlassende öffentliche Interesse nach dem Ende der der Gastspiele hatte für die Freiraum- Leute nochmal bewiesen: „Man muß auch öffentliches Forum sein,“ nicht nur Aus- und Fortbildungsstätte für SchauspielerInnen, die hin und wieder eine Produktion zeigen.

Jürgen Müller-Othzen und Reinhold Schäfer freuen sich unumwunden über das Ende der langen Hängepartie, haben auch ein Signal, daß auch drei der benötigten Stellen bewilligt werden. Aber: „Unser Kampf geht vehement weiter, damit der Stand so bleibt,“ sagt Müller-Othzen, der neben sich schon riesenhafte Boxhandschuhe zur weiteren wort- und handgreiflichen Austragung des Kulturkampfes aufgehäuft hat, der heute in der Stadthalle ausgetragen wird.

Die Freiraum-Spalte auf dem nagelneuen gemeinsamen Plakat aller Bremer Theater wird also nicht weiter leerbleiben, wenn die Gastspiele Anfang 91 wiederaufgenommen werden.

Außerdem will der frisch beflügelte Müller-Othzen sofort „eine neue Schiene öffnen“ und Theater aus Italien, Frankreich und der Schweiz zu Produktionen herholen, die dann auch offene Proben und workshops für BremerInnen anbieten werden. Uta Stolle

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