: Vietnamesen beim Repatriieren nachhelfen
Verschärfungen in der Politik des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) deutlich ■ Aus Genf Andreas Zumach
Noch Ende letzter Woche widersprach das Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) in Genf entschieden Meldungen aus Hongkong, wonach die UNO-Behörde ihre Politik gegenüber den in der britischen Kronkolonie gestrandeten Vietnam- Flüchtlingen verschärfen wolle (siehe taz vom 28. und 29.9.). „Freiwillige Rückkehr in Würde jetzt“ oder „Deportation später“ — vor diese Alternative stelle das UNHCR künftig die 54.000 zumeist in geschlossenen Lagern lebenden Vietnamesen, berichteten westliche Diplomaten in Hongkong nach einer Unterrichtung durch den für Asien zuständigen UNHCR-Repräsentanten. Der Begriff „Deportation“ gehöre nicht zum Sprachgebrauch des UNHCR, hieß es daraufhin in Genf. Aufgrund einer Ende September mit Großbritannien und Vietnam getroffenen Vereinbarung sollten demnächst lediglich neben Flüchtlingen, die dies selber beantragen, auch solche in die Heimat zurückgebracht werden, die der Repatriierung nicht ausdrücklich „widersprechen“. Zu diesem Zwecke würden UNHCR- VertreterInnen die Vietnamesen in Hongkong jetzt „häufiger“ und „intensiver“ als bisher auf die „Möglichkeiten zur Rückkehr hinweisen“, erklärte der UNHCR-Sprecher in Genf. Doch weiterhin werde niemand zwangsweise repatriiert.
Dieses schon damals dünne Dementi ist nun völlig zusammengebrochen. Am Mittwoch verkündete die Regierung in Hanoi einen grundlegenden Wandel ihrer bisherigen Politik: von nun an will sie zwangsweise aus Hongkong zurückgebrachte Flüchtlinge in Vietnam aufnehmen. Dort sollen sie zunächst auch in Lagern leben — finanziert zwar vom UNHCR, doch unter Kontrolle der Regierung. Beim UNHCR wird jetzt auch — zumindest hinter vorgehaltener Hand — zugegeben, was letzte Woche noch heftig bestritten wurde: Die Regierung in London hat gegenüber der UNO-Behörde angekündigt, Anfang Januar mit der Rücksendung von Vietnamflüchtlingen zu beginnen, wenn freiwillige Rückführprogramme bis dahin keinen Erfolg aufweisen. Als „Erfolg“ beziffert London eine monatliche Rückkehrquote von mindestens 700 Flüchtlingen. Zum Vergleich: im September verließen knapp 200 Vietnamesen die Lager in Hongkong Richtung Heimat, seit Mai 1989, als das Programm freiwillig beantragter Rückführungen begann, waren es insgesamt rund 4.300, im Monatsdurchschnitt also etwa 270.
Ob die nun neugeschaffene Kategorie von Flüchtlingen, die sich einer Rückführung nicht ausdrücklich „widersetzen“, in der Praxis überhaupt existiert, ist auch beim UNHCR selbst nach wie vor umstritten. Private Flüchtlingshilfeorganisationen aus den USA und Westeuropa äußerten diese Woche in Genf die Befürchtung, mit dieser „Grauzone“ werde Spielraum geschaffen für eine bislang nicht explizit beschlossene Verschärfung der UNHCR-Haltung gegenüber den Vietnamesen in Hongkong. Der aktuelle Fall Vietnam könnte zum Präzedenzfall werden für eine Veränderung der UNHCR-Politik gegenüber flüchtigen Menschen auch in anderen Weltregionen.
Dafür gibt es handfeste Anzeichen. In einer Rede vor dem Exekutivausschuß des UNHCR betonte Hochkommissar Thorvald Stoltenberg diese Woche, um den Schutz der in ihrer Heimat an Leib und Leben bedrohten Flüchtlinge zu gewährleisten, müßten diejenigen, die keine unmittelbare Verfolgung nachweisen könnten, verstärkt in ihre Heimat zurückgebracht werden. Um dies in der Praxis umzusetzen, bedarf es zwangsläufig der Einführung neuer Definitionen und Kategorien wie z.B. „Wirtschafts“- oder „Wohlstandsflüchtlinge“. Schon lange drängen vor allem die Regierungen von EG und anderen westlichen Staaten den UNHCR, die Zahl von derzeit weltweit 15 Millionen Flüchtlingen, für die sich die UNO-Behörde zuständig fühlt, durch die Einführung solcher Unterscheidungen zu reduzieren. Nicht zuletzt, damit sie künftig auch in ihrer nationalen Flüchtlings- und Asylpolitik unbefangener und ohne Sorge vor Kritik aus Genf mit diesen Kategorien operieren können.
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