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„Die eigene Geschichte wird verdrängt“

■ Die DDR-Verlage auf dem Buchmarkt/ Gespräch mit dem Chef von „Neues Leben“ INTERVIEW

taz: Sie sind als Lektor eines DDR-Verlages zur Frankfurter Buchmesse gefahren und kehren nun als Vertreter eines unter Hunderten deutscher Verlage nach Berlin zurück. Was hat sich verändert?

Bernhard Thieme, Programmdirektor von „Neues Leben“: Die DDR-Verlage waren jahrzehntelang durch die Mauer isoliert und zugleich auch „beschützt“. Jetzt sind alle, und das spürt man auf dieser Buchmesse, einem unwahrscheinlichen Konkurrenzdruck ausgesetzt. Die meisten Gespräche am Gemeinschaftsstand der Ex- DDR-Verlage drehen sich um das zukünftige Vertriebssystem, um Marketing und Werbestrategien. Da haben die Verlage einen großen Nachholbedarf.

Die alte Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft LKG hat nie funktioniert. Wenn Buchhändler in der DDR bei ihr 100 Bücher bestellt hatten, wurden vielleicht 20 geliefert. Jetzt wundern sich alle, wenn 100 kommen.

Warum hat kein DDR-Verlag zur Messe ein Buch zu den vergangenen 40 Jahren SED-Verlagsgeschichte vorgelegt?

Vorerst wird diese Vergangenheit eher verdrängt. Die unmittelbaren ökonomischen Probleme und die Herausforderungen des westlichen Buchmarkts stehen eindeutig im Vordergrund. Auch westliche Fragen zielen fast ausschließlich auf die Marktchancen. Dazu kommt, daß viele Verlagsleiter auch nach der Umwandlung der SED- Parteiverlage in GmbHs weiter in Amt und Würden sind, so daß das Interesse an kritischer Geschichtsschreibung äußerst gering ist.

Wieviel Ex-DDR-Verlage werden denn den Sprung in die Marktwirtschaft überleben?

Von den gut 40 Belletristik-Verlagen vielleicht fünf bis zehn, möglicherweise noch weniger. Der Versuch, aus allen zusammen einen „Verlagskonzern“ zu machen, ist schnell an den völlig bürokratisierten Strukturen der einzelnen Verlage gescheitert. So muß jetzt jeder für sich ein neues Profil finden. Interview: Reinhard Mohr

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