: Sloweniens Militärzentrale besetzt
Nach einer operettenhaften Aktion eines serbischen Generals herrscht Verwirrung in Ljubiljana / Die Republik Slowenien verweigert sich der Oberhoheit der jugoslawischen Armee ■ Von Hofwiler/Rathfelder
Belgrad (taz) — Im ersten Augenblick herrschte in Ljubljana Schrecken und große Aufregung, als gestern früh die Mitteilung kam, Einheiten der jugoslawischen Streitkräfte hätten das Oberkommando der Territorialverteidigung von Slowenien besetzt. Und schon kochte die Gerüchteküche: Schwerbewaffnete Soldaten hätten das zentralgelegene Gebäude in Ljubljana gestürmt, Panzer seien vorgefahren, hieß es in frühen Rundfunksendungen. Doch bald wurde den mehr als 1.000 DemonstrantInnen, die sich am morgen im Ljubljaner Stadtzentrum eingefunden hatten, klar, daß es sich nicht um eine Militäraktion gegen Slowenien handelte, sondern eher um eine Opperettenaktion eines Einzelgängers. In regelmäßigen Abständen meldete sich der Innenminister Igor Bacar im Radio zu Wort und bat darum, Ruhe zu bewahren. Es sei eigentlich gar nichts Ernstes vorgefallen. Der ehemalige Oberkommandierende der jugoslawischen Streitkräfte Sloweniens, der serbische General Ivan Hocevar, sei vorgestern durch einen slowenischen ersetzt worden. Und dieser habe mit ein paar Dutzend ihm ergebener Soldaten das bereits versiegelte Kommandogebäude erobert. Ansonsten hätte das Offizierskorps sich hinter die slowenische Regierung gestellt und den militanten Akt des „Einzelgängers“ verurteilt.
Doch ganz so einfach liegen die Dinge wohl auch wieder nicht. Denn in Belgrad hatte dieser Beschluß der slowenischen Regierung, aber auch jener, sich nicht mehr an der Finanzierung der Armee zu beteiligen, wütende Reaktionen ausgelöst. Und die Beschlüsse des slowenischen Parlaments vom letzten Donnerstag, 30 im bisherigen Jugoslawien gültige Gesetze außer Kraft zu setzen, um den eigenen Reformprozess voranzutreiben, wurden als Seperatismus diffamiert. Auch daß gestern Mittag das Parlament der Republik Slowenien zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen und der Generalstab der Landesverteidigung in Belgrad tagte, weist auf eine höhere Spannung im Lande, als die slowenischen Behörden nach außen zugeben wollen. Noch ist unklar, wer nun wirklich den Befehl über die Armee- Einheiten in Slowenien hat, der serbische General, wie es die Zentralregierung und die Armeeführung in Belgrad nach wie vor wollen, oder sein slowenischer Nachfolger Janez Slapar. Früher oder später, so erklärte dieser, müsse Belgrad den neu gebildeten Stab der Territorialverteidigung anerkennen.
Schon seit Wochen drängen die Nordrepubliken darauf, Jugoslawien zu einer Konföderation umzuwandeln, in der jede Republik über seine Landesverteidigung selbst bestimmen könne. Wie immer Jugoslawien in Zukunft politisch strukturiert sein werde, „parallele Truppenverbände“ werde man, so Regierungschef Ante Marcovic, nicht zulassen können. Während noch wenig Licht in die Vorgänge in Ljubljana kam, bewaffnen sich in weiten Teilen des Vielvölkerstaates „einfache Bürger“ mit Hilfe der Armee zu einer Art von Bürgerwehren, melden dieser Tage die Zeitungen. Auch gestern herrschte in der serbischen Enklave Knin im kroatischen Dalmatien der Ausnahmezustand. Wer nicht Serbe ist, wird von Bürgerwehren gezwungen, das Gebiet sofort zu verlassen, Zugverbindungen und Überlandstraßen sind blockiert.
Ähnliche Aktionen bereiten im Augenblick militante Moslems in der Gegend von Sarajevo vor, die sich nach eigenen Angaben zum Ziel setzten, eine islamische Republik auf dem Balkan auszurufen. Führer Izetbegovic vor 100.000 AnhängerInnen: „[...] falls es nötig ist, mit der Waffe in der Hand.“
Nicht weniger militante Töne sind aus Mazedonien zu hören, während Kroaten und Ungarn im serbischen Vojvodina Autonome Regionen ausrufen wollen, nachdem sie glauben ihre Rechte werden immer mehr beschnitten. In Kosovo, der Krisenprovinz schlechthin, brodelt es wie nie zuvor. Nur in Slowenien war es bisher friedlich. Der Ljubljaner Politologe Rastko Mocnik meint dazu: „Diese Friedfertigkeit ist manchen heute ein Dorn im Auge, sie wollen auch, daß es bei uns brennt, damit auch gar alle Teile Jugoslawiens im Chaos enden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen