1:1 in Washington Bush geht aufs Ganze

Berlin/ Washington (wps/taz) — Kolumbus sei dank, daß dem US- Präsidenten und Vertretern des Kongresses noch ein weiterer Tag zu Verhandlungen über ein Haushaltssparpaket hinter den Kulissen bleibt. Sollte dann immer noch keine Einigung erzielt worden sein, müssen ab Dienstag circa eine Million von rund 2,4 Millionen US-amerikanischen Staatsbediensteten in einen Zwangsurlaub geschickt werden — unbezahlt. Denn schon seit Freitag, als das Repräsentantenhaus mit einer unerwarteten und erwiesenermaßen kurzlebigen Koalition aus rechten Republikanern und linken Demokraten ein 500-Milliarden-Sparprogramm für die nächsten fünf Jahre niederschmetterte, hat die Regierung Bush de facto kein Geld mehr, das sie ausgeben kann. Es gibt keinen gültigen Haushalt. Bush hatte am Samstag den Vorschlag einer einwöchigen Überbrückungsfinanzierung des Repräsentantenhauses abgelehnt, da er die Schlappe nicht auf sich sitzen lassen will, gegen dieses Veto hinwiederum brachte das Repräsentantenhaus keine nötige Zweidrittelmehrheit auf die Beine.

In Washington wird nun darüber spekuliert, was mögliche neue Kompromißlinien des Spar- und Steuererhöhungs-Programms sein könnten, da niemand damit rechnet, daß die gesetzlose Situation trotz anstehenden Wahlkampfes für Repräsentantenhaus und Gouverneurssitze lange anhält. Endgültiger Stichtag ist der 19. Oktober, dann muß der Haushalt 1991 endgültig stehen. Politische Beobachter halten es für möglich, daß man den Demokraten bei der Besteuerung Besserverdienender mehr entgegenkommt als zuvor und dafür doch noch die Kapitalertragssteuer senken könnte.

Das fiskalische Fiasko ist keine Premiere in den USA. Schon unter Ex-Präsident Reagan hatte es dreimal vergleichbare Situationen gegeben, in denen jeweils für einen Tag Hunderttausende Staatsbedienstete zwangsbeurlaubt worden waren, um vom Kongreß einen Kompromiß zu erzwingen: 1981, 1984 und 1986. Demokratische Abgeordnete reagierten am Wochenende sehr scharf auf die Situation und sprachen, wie das Mitglied des Repräsentantenhauses, Richard J. Durbin, von der Behandlung zweier Millionen Staatsbediensteter, wie „das Saddam Hussein mit seinen sogenannten Gästen in Irak tut“. Schon am Wochenende waren die Nationalparks in den USA ohne Führer, in Washington blieben die Museen und das Weiße Haus für Touristen geschlossen. Wenn am Dienstag noch keine Einigung stattgefunden hat, bleiben mit aller Sicherheit das Pentagon, der Flugverkehr, das Rechtswesen, Zoll und medizinische Versorgung ausgenommen. Auch Steuereintreiber werden weiter operieren. Und: Der nationale Wetterdienst wird weiter 24 Stunden am Tag arbeiten — der nächste Hurrican heißt „Klaus“. AS