piwik no script img

Freie Fahrt dem Billigeinkauf in Polen

■ Polen hebt Visumzwang für ehemalige DDR-Bürger wieder auf/ Der Einkaufstourismus in den polnischen Grenzorten war zum wichtigen Wirtschaftsfaktor für Polen geworden

Warschau (dpa/adn/taz)) — Polen hat am Samstag den Visumzwang für Bürger der ehemaligen DDR wieder aufgehoben. Wie das polnische Außenministerium in Warschau mitteilte, gilt dies zunächst bis zum 7.November.

In der Zwischenzeit sollen „dringende polnisch-deutsche Verhandlungen mit dem Ziel einer Regelung nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit“ stattfinden. Die Aufhebung des Visumzwangs sei ein „Akt des guten Willens in den ersten Tagen der Vereinigung Deutschlands“. Polnisches Ziel sei eine völlige Aufhebung der Visumpflicht für Kurzbesuche von Deutschen und Polen im jeweils anderen Staat.

In der polnischen Begründung heißt es weiter, man folge einem Wunsch der Grenzgebiete, denen der Ansturm von Einkaufstouristen aus der DDR in den letzten Monaten einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hatte. Von sofort an brauchen die Ex-DDR-Bürger an der polnischen Grenze wieder nur ihren alten Ausweis vorzuzeigen.

Im Gegenzug zur Ausdehnung der Visumpflicht für Polen auf ganz Deutschland hatten die Polen vom 3.Oktober an auch von Bürgern der ehemaligen DDR ein Einreisevisum verlangt. Daraufhin versiegte der Besucherverkehr fast völlig.

Erste Schätzungen von Fachleuten ergaben, daß Polen durch das Ausbleiben der ehemaligen DDR- Bürger Verluste in Höhe von mehreren Milliarden Mark jährlich tragen müßte. Die DDR-Bürger, die in den letzten Wochen und Monaten zu Hunderttausenden über Oder und Neiße kamen, um hier billig einzukaufen, hatten nämlich nicht nur einigen Händlern goldene Nasen eingebracht.

Der Einkaufstourismus war im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in Polen geworden. Viele Betriebe, die wegen der „Politik des knappen Geldes" und dem damit verbundenen Nachfragerückgang auf einem Großteil ihrer Produkte sitzengeblieben waren, konnten an dem 460 Kilometer langen Ladentisch entlang der Oder und der Neiße ganze Warenberge losschlagen. Kein Einzelbeispiel ist die Aussage des Direktors einer Fahrradfabrik, daß der Einkaufsboom sein Unternehmen vor dem Konkurs bewahrt habe. Und schließlich hatten an der Grenze auch zahlreiche Arbeitslose ihr Auskommen gefunden.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen