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Zeitbombe für Umwelt und Haushalt

■ AL-Umweltsenatorin Schreyer ließ eine Karte über mögliche Altlastenflächen im Großraum erstellen/ Über 7.000 Objekte wurden registriert/ Allein die Untersuchung verschlingt Millionen Mark

Potsdam. Mit den Altlasten im Großraum Berlin ticken gleich zwei Zeitbomben: Die Bodenverseuchungen gefährden Grund- und Trinkwasser, und die notwendigen Sanierungen gefährden den Staatshaushalt. So schilderte Umweltsenatorin Schreyer gestern in Potsdam das Gesamtberliner Altlastenproblem. In einer ersten Bestandsaufnahme hat der Provisorische Regionalausschuß im Auftrage der Umweltsenatorin 7.000 Verdachtsflächen in Berlin- Brandenburg registriert — von Tankstellen über Militärobjekte bis zu den Berliner Rieselfeldern.

Die Überprüfung der möglicherweise verseuchten Flächen wird Millionen kosten. Allein für drei Gefährdungsabschätzungen muß Schreyer 3,5 Millionen Mark berappen. Die Sanierung der Altlasten wird nach Westberliner Erfahrungen jeweils »mehrere zehn Millionen Mark«, größere Deponien sogar rund 100 Millionen Mark kosten.

Schwerpunkt der Sanierung wird das Trinkwassereinzugsgebiet im Bereich Stolpe, die Tankstellen und die Militärstützpunkte von Roter Armee und NVA sein. In einer »Brandenburgischen Liste« wurden die Sanierungskriterien festgelegt. Diese entsprechen der bisherigen »Berliner Liste«, in der Sanierungsprioritäten festgelegt sind. Dadurch soll verhindert werden, daß der Umweltschutz in der ehemaligen DDR zum Umweltschutz zweiter Klasse wird, sagte Schreyer.

Bei den Militärobjekten wird möglicherweise der Verteidigungsminister als Rechtsnachfolger der NVA zur Kasse gebeten. Bei den Industriealtlasten kann das sonst gültige Verursacherprinzip nicht herhalten, da die Sanierungskosten die Zahlungsfähigkeit der Firmen übersteigen. Nach den Vorstellungen der Umweltsenatorin soll hier die Finanzierung über die Treuhandanstalt erfolgen und mit den Einnahmen aus dem Verkauf der VEBs verrechnet werden. Um den Westberliner Müll auf den Deponien Schöneichen und Ketzin wird sich das Land Berlin selbst kümmern müssen.

Bei den anstehenden Sanierungen werden die beiden Bodenreinigungsanlagen in West-Berlin nicht ausreichen, den Bau von fünf weiteren Anlagen faßt die Senatsverwaltung ins Auge. Die Investitionen von 20 bis 30 Millionen Mark pro Anlage sollen aus der Wirtschaft kommen.

Begrüßt wurde von Schreyer die Regelung im Einigungsvertrag, nach der Erwerber von alten Industrieanlagen von der Haftung für die eventuell vorhandenen Altlasten freigestellt werden können. Allerdings sei es »absurd«, daß die Bundesregierung nicht festgelegt habe, wer die Finanzierung der Sanierung dann übernimmt. Ohne diese Festlegung würden die Kommunen die »grüne Wiese« für Investitionen zur Verfügung stellen und die Altlasten aus Angst vor den Sanierungskosten liegenlassen. Rochus Görgen

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