: Israelische Regierung verteilt Gasmasken
Tel Aviv (taz) — In Israel scheint man sich nun ernsthaft auf die Möglichkeit eines Giftgaskrieges mit dem Irak einzustellen. Denn am Sonntag begannen die Behörden mit der schon seit längerem kontrovers diskutierten Verteilung von Gasmasken an die israelische Bevölkerung. Ministerpräsident Schamir begründete die Aktion damit, daß man die Drohungen Saddam Husseins ernst nehme. Der irakische Präsident hatte schon im Frühjahr angekündigt, im Kriegsfall mit chemischen Waffen „halb Israel zu verbrennen".
Die Verantwortlichen starteten die Verteilungsaktion in drei Provinzorten im Norden, in der Mitte und im Süden des Landes. 30.000 Zivilisten erhielten so in streng alphabetischer Reihenfolge die Masken. In- und ausländische Medien nutzen dabei die Gelegenheit, die Methoden der Verteilung sowie die Reaktionen der Bevölkerung zu beobachten. Die Behörden wurden nicht müde, auf Disziplin und Gelassenheit der Bürger hinzuweisen. Den Kommandanten der Zivilverteidigung wurde aber schließlich die Gelassenheit unheimlich und sie beklagten sich über die „Indifferenz der Bevölkerung“.
Tatsächlich mußten in dem kleinen Städtchen Ofakim, einem der drei ausgewählten Orte, Lautsprecherwagen eingesetzt werden, um die 14.000, zumeist aus Nordafrika stammenden sephardischen Bewohner zu den Verteilungsplätzen zu bewegen. Dort versorgten Militärs und Hilfstruppen der Zivilverteidigung die Familien mit Gasmasken, Atropinspritzen und einer entsprechenden Gebrauchsanweisung für den Ernstfall. Insgesamt wird die Operation „Gasmasken“ für die 4,5 Millionen israelischen Staatsbürger das Sicherheitsministerium etwa 20 Millionen US-Dollar kosten. Nicht eingerechnet sind dabei die Masken und Medikamente, die die Bevölkerung im Laufe der Jahre durch ihre Beiträge im Rahmen der Nationalversicherung selbst bezahlt hat. Für ultraorthodoxe bärtige Juden hat die streng religiöse Jerusalemer Gemeinde 25.000 Spezialmasken aus der Bundesrepublik bestellt. Der Gesundheitsminister der Jerusalemer Gemeinde, Schtiberger, erklärte dazu: „Unsere Männer weigern sich, ihre Bärte abzuschneiden — auch wenn es einen Gasangriff gibt.“ Dagegen erlaubt das Oberrabbinat in Jerusalem das „Bartabschneiden im Notfall“.
Insgesamt soll die Gasmaskenaktion in zwei Monaten abgeschlossen sein. In den Schubladen liegt allerdings auch ein Krisenplan, der diese Frist auf drei Tage verkürzt. Im Normalfall sollen nach den Kleinstädten die Großstädte mit Masken versorgt werden, danach die Dörfer und zuletzt die besetzten Gebiete. Während alle Israelis die Masken kostenlos erhalten, müssen die 1,7 Millionen Palästinenser der besetzten Gebiete 20 Dollar pro Stück zahlen. Amos Wollin
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