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DDR-Luft macht Kinder krank

■ Rostockerin kämpft für umweltgeschädigte Kinder / Goodwill-Tour mit Daten

Der kleine Tobias kommt derzeit unverhofft zu trauriger Publizität: Sein Foto ziert Prospekte und Zeitschriften, mit denen die Rostockerin Käthe Woltemath die Probleme umweltgeschädigter Kinder aus der DDR in die gesamtdeutsche Öffentlichkeit bringt. Arme und Gesicht von Tobias aus Bitterfeld sind mit Pusteln und Ekzemen übersät. Man spürt beim Betrachten förmlich sein quälendes Jucken.

Käthe Woltemath will dafür kämpfen, daß Kinder wie Tobias auch künftig für einige Wochen ihrem giftigen Alltag aus dem Süden der Republik entfliehen und ihren Körper in relativ sauberer Luft erholen können. Denn noch gibt es im Norden der ehemaligen DDR 12 Kinderferienheime mit insgesamt 12.000 Plätzen pro Durchlauf. Doch die sollen jetzt verkauft werden — weil sie „nicht rentabel“ sind und künftig dem Tourismus dienen sollen.

Käthe Woltemath hatte im Mai die Studie eines Rostocker Hygiene-Institutes in die Hand bekommen, die über 10 Jahre hinweg Schulkinder aus den schadstoffüberlasteten Industriegebieten wie Bitterfeld, Halle, Leipzig (vergleichend zu Rostocker Kindern) untersucht hatten. Die Ergebnisse hatte das SED-Regime seit 1986 unter Verschluß gehalten. Die Forscher hatten festgestellt: In den hochbelasteten Gebieten ist die Zahl der Atemwegserkrankungen um mehr als doppelte gestiegen. In den südlichen Ballungsräumen erkrankt an Pseudo Krupp u.ä. inzwischen jedes zweite Kind. Jedes dritte Kind leidet wie Tobias an Haut-Ekzemen. „Der Organismus dieser Kinder ist unter der ständigen Umweltbelastung in permanenter Alarmbereitschaft“, gibt Käthe Woltemath die Berichte der Ärzte wieder. Sie sind in der körperlichen Entwicklung zurückgeblieben, ihre Konzentrationsfähigkeit ist vermindert, ihr Abwehrsystem geschwächt. Mit über 40 Analysen pro Kind haben die Ärzte ein Datenspektrum, das vom Blutbild über die Lungenfunktion bis zu psychologischen Parametern reicht.

Eine weitergehende Untersuchung derselben Kinder habe aber auch gezeigt: Bei einem 3-4wöchigen Aufenthalt in „Reinluftgebiet“ nähern sich die Werte denjenigen von Kindern an, die ohne Luftverschmutzung leben. Und dieser Normalisierungseffekt halte bis zu neun Monate an. Ein solcher Erholungsaufenthalt kostet 25 Mark pro Tag und Kind.

In dieser „schmutzigsten Region Europas“, von der der quecksilber-quakckende Silbersee in Bitterfeld inzwischen am bekanntesten wurde, leben rund 60.000 Menschen, davon 10-12.000 Schulkinder. Auf sie rieseln pro Jahr rund 40.000 Tonnen Staub und 90.000 Tonnen Schwefeldioxyd herab. Während in allen anderen Ländern Europas die Schwefeldioxydbelastung unter 15 Tonnen pro Quadratkilometer liegt, brachte es die DDR 1988 auf 48 Tonnen. Allein das Chemiekombinat Bitterfeld hatte zur Begrenzung der Umweltschäden in seiner Umgebung 300 Millionen Mark pro Jahr an den Staat zu zahlen. Wohin das Geld letztlich ging, blieb bislang im Dunkeln, berichtet Käthe Woltemath.

Jetzt will sie durch Spenden und Sponsoring von Baby-Kosmetik-Herstellern Gelder für die Unterstützung betroffener Kinder zusammentragen. Eine spezielle Stiftung „Kinderwelt - Hilfe für umweltgeschädigte Kinder“ ist im September gegründet worden. Die Stiftung soll auch den Kindern aus dem übrigen Ostblock helfen. Finanzbedarf: Einhundert Millionen Mark pro Jahr. Die Bremer Arbeiterwohlfahrt unterstützt dieses Engagement aus Rostocker Wohlfahrtskreisen, wo die AWO sich erst noch aufbaut. Ernst Waltemathe, Bremer SPD-MdB, hat bereits eine Finanzspritze aus dem Nachtragshaushalt vermittelt: 1 Mio sofort, 12 Mio wahrscheinlich im nächsten Jahr. Die Aktion Sorgenkind gab auch schon 500.000.

Birgitt Rambalski

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