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Anerkennungsquote kann kein Asylkriterium sein

■ Wolfgang Grenz von amnesty international kritisiert Späths Bundesratsinitiative zur Änderung des Asylrechts INTERVIEW

taz: Baden-Württemberg will am Freitag einen neuen Gesetzentwurf zur Änderung des Asylrechts einbringen. Worin liegt die Brisanz dieses Entwurfs?

Grenz: Darin, daß man einzelne Verfolgte an der Grenze zurückweisen will, ohne daß ihr Antrag auf Asyl geprüft werden kann. Das Gefährliche dabei ist, daß eine Verknüpfung mit den niedrigen Anerkennungsquoten von Flüchtlingen stattfindet. Damit wird suggeriert, daß die niedrigen Anerkennungsquoten eine Aussagekraft hinsichtlich der Verfolgungssituation in den Herkunftsländern der Asylbewerber haben. Die Anerkennungsquote ist jedoch kein Kriterium für die Menschenrechtssituation in den Herkunftsländern. Und das wird auch gerade an den Ländern deutlich, die Lothar Späth als die sogenannten „verfolgungsfreien“ Länder in seinem Vorschlag benannt hat. Er hat Sri Lanka genannt, während amnesty international zur Zeit eine Kampagne gegen die Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka durchführt. Wir berichten, daß dort Tausende von Menschen getötet worden sind, in Haftlager verschleppt, gefoltert werden.

Kann man denn einfach an den niedrigen Anerkennungsquoten vorbei gehen?

Das ist ja das Gefährliche an Späths Vorschlag, daß er so eingängig klingt. Jeder wird natürlich sagen, warum sollen die Leute nicht in einem Schnellverfahren an der Grenze abgewiesen werden, wenn sie sowieso nicht anerkannt werden. Aber was ich für Sri Lanka gesagt habe, gilt auch für andere Länder. Späth nennt in seinem Vorschlag Rumänien, und da wird kein Mensch bestreiten, daß auch heute dort noch Verfolgungsmaßnahmen stattfinden, und das trifft auch für Jugoslawien zu. Jugoslawien liegt bei den von amnesty betreuten, gewaltlosen politischen Gefangenen weltweit mit an der Spitze. Wir berichten zum Beispiel über Verhaftungen von Kosovo-Albanern, die sich für die Rechte ihres Volkes einsetzen, die Flugblätter verteilen und zu hohen Haftstrafen verurteilt werden. Auch im Libanon herrscht nach wie vor Gefahr für Leib und Leben durch die Kriegssituation, ähnlich wie in Vietnam, wo es nach wie vor zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen kommt.

Hat Späths Vorschlag Chancen?

Mittlerweile ist nicht mehr sicher, daß es die Zweidrittelmehrheit dafür nicht geben wird. Seit dem Vorschlag von Oskar Lafontaine, der ja in weiten Teilen mit dem Späths Vorstoß übereinstimmt bestehen doch erhebliche Zweifel, ob sich die SPD noch gegen eine Grundgesetzänderung sperren wird. Und die bisherigen verwirrenden Äußerungen der SPD-regierten Bundesländer haben diese Zweifel auch nicht gerade beseitigt. ve

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