Rheinische Fiskustruppe wacht über Ost-Steuern

50 Bonner Beamte sorgen im ehemaligen DDR-Finanzministerium dafür, daß Steuern nicht verschütt gehen/Kein Aktenzugang — dafür „Zersplitterung des Wissens“/ Von 700 Mitarbeitern können 200 bleiben: unter der Ägide der West-Importe  ■ Von Petra Brändle

Berlin (taz) — Bis zum 3., dem Tag des Einschnitts, waren sie die grauen Eminenzen im Hintergrund. Kein Außenstehender bekam sie zu Gesicht, geschweige denn zu sprechen. „Erst nach dem 3. zu sprechen“, ließen sie durch den damaligen Pressesprecher Hans Neumann des DDR- Finanzministeriums ausrichten. Sie — das sind „rund“ (so genau weiß das niemand) 50 Beamte aus dem Bonner Bundesfinanzministerium. Seit dem 4. Oktober hüten und betreuen sie in Ost-Berlin die Steuergelder, den Haushalt, Liegenschaften, Zollangelegenheiten und die Treuhand. Aber auch am 4. sind sie nicht zu erreichen. Telefone werden angeschlossen, Büros bezogen, die Sekretärin ist mit den Namen noch nicht vertraut und die Direktleitung mit Westberliner Nummer noch tot.

Die Außenstelle des Bonner Bundesfinanzministeriums, zuständig für die Verwaltung der Steuern aus den fünf neuen Bundesländern, steckt noch in den Kinderschuhen. Wer wo was macht und welche der gegenwärtig 700 MitarbeiterInnen demnächst zu den nur noch 200 Angestellten zählen werden und welche sich in die Warteschleife einreihen müssen — Fragen über Fragen, die sich die Belegschaft stellt.

Sicher ist für Pressesprecher Neumann nur eines: „Die Stimmung ist schlecht“. Nicht jedeR wechselt einfach die blaue gegen eine grüne Uniform wie die Pförtnerin am Einlaß, und nur wenige können im 59. Lebensjahr so ruhig ihre Sachen zusammmenpacken, wie Neumann. Mit der Umschulung des alten Stammes ist oft auch eine Zurückstufung mit finanzieller Einbuße verbunden, mutmaßt Neumann. Mit Neid wird auf die Neuen geschaut, die „ja ganz bestimmt nicht aus reinem Edelmut kommen“. Die Gehaltsschere zwischen Ost und West stehe weit offen. Weitere 150 MitarbeiterInnen haben die Chance, in die neu aufzubauenden landesweiten Finanzbehörden zu wechseln. Schließlich ist die Berliner Außenstelle laut Staatsvertrag nur vorübergehend mit der Finanzverwaltung der Länder betraut, und zwar solange dies die künftigen Ministerpräsidenten wünschen.

Die Übernahme des DDR-Finanzministeriums gestaltet sich bislang „recht turbulent“. Der Leiter des „Bundesministeriums der Finanzen, Außenstelle Berlin“, Joachim Klementa, hetzt von Sitzung zu Besprechung und sieht im „generellen Chaos“ die „Gefahr nicht ganz ausgeschlossen, daß Steuergelder verschütt gehen“. Doch eigentlich dürfte dies — da die Bonner speziell in diesem Bereich „Kontrollmechanismen eingebaut haben“ — nicht passieren. Auf sauberer Basis werden sie jedoch erst nach langem, geduldigem Puzzlespiel stehen: Denn es gibt keine Registratur, keine allgemein zugänglichen Akten, statt dessen eine feinsäuberliche „Zersplitterung des Wissens“, so Klementa.

Hört man ihm zu, sind die Bonner Beamten edelmütig: Für die steuerfreie Sonderzulage von 1.500 bis 1.700 Mark dürfen sie mit einem 16-Stunden-Arbeitstag an „vorderster Front für die deutsche Einheit kämpfen“. („Wenn Sie den Ausdruck gestatten.“) Opfer bringe jeder von ihnen — auch bei der Zusammenarbeit mit den früheren Angestellten, die ja eine „ganz bestimmte politische Vergangenheit“ hätten. Völlig freiwillig ist jedoch der Referatsleiter für (Ex-)DDR-Haushaltsfragen nicht in Berlin. Entgegen der Überzeugung eines Sprechers im Bonner Ministerium, der von „Freiwilligen“ spricht, sieht sich zum Beispiel der Referatsleiter als Zielscheibe von sanftem Druck und „bestimmter Mittelchen“. In „gemischter Zusammenarbeit bauen wir jetzt möglichst schnell eine schlagkräftige Gruppe auf“. Klementa diagnostiziert teilweise schon kollegiale Atmosphäre, die entstanden sei, während man gemeinsam über der Ausarbeitung der diversen Unionsverträge geschwitzt habe. Gemeinsam — das heißt unter Ägide der West- Beamten — mußt „sichergestellt werden, daß nichts anbrennt“.