: Räuber tot — Notwehr fraglich
■ Nach Todesschüssen auf Bankräuber: Staatsanwalt ermittelt gegen Polizisten
Ein 35 Jahre alter Bankräuber ist am Donnerstag nachmittag von einem Beamten der Bremer Polizei erschossen worden. Gestern nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Todesschützen auf: Wegen schwerer Köperverletzung mit Todesfolge. Die Polizei war zunächst davon ausgegangen, daß der Beamte eindeutig in Notwehr gehandelt hatte. In einer ersten Pressemitteilung war behauptet worden, daß der Räuber auf die Beamten geschossen hätte. Die Ermittlungen sollen zeigen, ob der Beamte möglicherweise voreilig gezielt geschossen hat.
Denn nach Angaben von am Einsatz beteiligten Polizisten hat der mit einer Schreckschußpistole bewaffnete Bankräuber selbst keinen Schuß abgegeben. Der Beamte dagegen schoß wahrscheinlich gleich achtmal: Vier Mal zur Warnung und vier Mal gezielt. Dies stellte sich gestern im Verlaufe einer Rekonstruktion der Ereignisse heraus. Dabei ließ Staatsanwalt Frank Repmann Zeugen und Beamten des SEK, der Ermittlungsgruppe des 1. Kommissariats die Tat nachstellen.
Danach stellen sich die Ereignisse so dar: Der Bankräuber hatte Zuflucht in einem Gebüsch nahe des Schulzentrums Drebberstraße in Hemelingen gesucht. Insgesamt hatten 18 Polizisten das Gelände abgiegelt. Ganz in der Nähe befindet sich eine Eisenbahnlinie, von der aus das Gelände gut einsehbar ist. Von dort näherten sich zwei Beamte des SEK dem Gebüsch. Plötzlich soll der Räuber mit vorgehaltener Schrechschußpistole aus den Büschen gesprungen sein. Ein Beamter schoß aus höchstens vier Meter Entfernung: Er traf den rechten Fuß, das rechte Handgelenk und die rechte Hüfte des Räubers. Ein Schuß durch beide Lungenflügel, so ergab die Obduktion, war tödlich.
Vor der Tatrekonstruktion war Polizeipressesprecher Klaus Eilers sicher, daß der Beamte sich in einer „notwehrartigen Abwehrsituation“ befunden habe. Und warum vier Schüsse? Eilers: „Gucken Sie mal in so einen Lauf, der so dick ist, daß man einen Finger hineinstecken kann.“ Und in so einer Situation könne ein Polizeibeamter nicht einen Schuß abgeben und dann abwarten, wie die Wirkung sei. Daß der Bankräuber lediglich mit einer Schreckschußpistole bewaffnet gewesen sei, habe der Polizist nicht erkennen können.
Rätselhaft bleibt bislang, warum der Bankräuber für die Flucht nicht sein Auto benutzte. Seinen Miet- PKW hatte er in einer Entfernung von rund hundert Metern von der Bank in der Bultstraße unabgeschlossen abgestellt.
Der in Hannover wohnhafte Räuber, ein Spanier, war am Donnerstag gegen 16.45 Uhr maskiert in die Volksbank an der Hemelinger Heerstraße gekommen, hatte die KundInnen mit der täuschend echten Schreckschußpistole bedroht und von der Kassierin die Herausgabe des Geldes verlangt.
Er stopfte die Beute von 16.000 Mark in eine Plastiktüte und flüchtete zu Fuß, verfolgt von einem Bankkunden. Der Täter rannte durch eine Wohnstraße. Der Verfolger konnte einem gärtnernden Anwohner zurufen, was passiert war. Der Hobbygärtner informierte die Polizei, und auch dessen Sohn nahm die Verfolgung auf, die in das unübersichtliches Buschgelände führte.
Die Staatsanwaltschaft muß bei jedem Tod durch Polizeikugeln ermitteln. Die Grundlage dafür ist das Bremische Polizeigesetz. Das erlaubt Beamten, in bedrohlichen Notwehrsituationen auf eine verfolgte Person zu schießen. Dabei muß jedoch die „Verhältnismäßigkeit“ gewahrt sein. bear
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