: Ungarn müssen nochmal wählen
■ Mit Wahlgeschenken und Ausländerrazzien ist das Ungarische Demokratische Forum bei den Wahlen auf Stimmenfang
Budapest (taz) — Pünktlich zum 2. Wahlgang der Kommunalwahlen hat das regierende Ungarische Demokratische Forum eine beispiellose Razzia auf Ausländer gestartet, die sich illegal in Ungarn aufhalten.
Der 2. Wahlgang war notwendig geworden, weil bei der ersten Runde vor 14 Tagen die Wahlbeteiligung in vielen Städten und Gemeinden unter 40 Prozent blieb. In der zweiten Runde wird über die Zusammensetzung der Selbstverwaltungen nurmehr durch einfache Mehrheit entschieden.
Das Desinteresse der Wähler war nach Ansicht vieler Ungarn eine Ohrfeige der Bevölkerung an die Adresse der parlamentarischen Parteien. Die Mehrheit der Stimmbürger hätte das Gefühl, im Parlament werde bloß „Zirkus gemacht“, die Parteien seien unfähig, die Inflation von 30 Prozent und die schnell ansteigende Arbeitslosgkeit in den Griff zu bekommen.
Die Unzufriedenheit an den Parteien zeigte sich selbst bei jenen, die wählen gingen. Die Stimmbürger votierten vor allem auf dem Land für unabhängige Kandidaten. Von den 3.089 Bürgermeistern, die in der ersten Runde gewählt worden sind, gehören 80 Prozent keiner Partei an. Bitter war das Wahlergebnis für die regierende Koalition aus Demokratischem Forum (MDF) und Kleinlandwirtepartei. In den Städten und vor allem in Budapest, wo die Bürger auch für Parteilisten stimmen konnten, siegten die oppositionellen Parteien, der Bund Freier Demokraten (SZDSZ) und der Bund der Jungdemokraten (FIDESZ). Der Budapester Bürgermeisteranwärter mit den größten Chancen ist ein bekannter Samisdat-(Underground-)Verleger: Gábor Demszky von den Freidemokraten.
In den letzten Tagen versuchte die Regierung, noch Punkte zu machen: Die Rentner sollen einen (einmaligen) Geldzuschuß erhalten; die Unterstützung für kinderreiche Familien wird angehoben. Tibor Fenyi
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