: „Kampf mit der Fassade“
■ Neues altes Postamt 5 wird bezogen, aber noch nicht eröffnet / Briefe schneller, Dach höher, Kunst für eine Million
Ach ist das ein verpatzter Neubeginn: An lächerlichen zehn fehlenden Parkplätzen liegt es, daß das neue alte Postamt 5 am Bremer Hauptbahnhof nicht dieser Tage mit Schall und Trunk eingeweiht werden kann. Brief-, Päckchen- und Paketstellen zogen am Wochenende ein, der öffentliche Teil der Post, die Schalterhalle, wird aber erst irgendwann im Dezember eröffnet. Wegen des Freimarktverkehrs können die Parkplätze am Hauptportal nicht rechtzeitig fertiggestellt werden.
Bis auf einige Geländer, Verkleidungen und Bodenbeläge ist das Postamt fertig und nimmt seinen eindrucksvollen Platz (18.000 qm) im Ensemble des Bahnhofsquartiers wieder ein. Fünf Jahre lang wurde hinter der denkmalgeschützten Fassade eines ornamentreichen Historismus entkernt und komplett neugebaut, das Dach entstand neu, dadurch wurde die Post 2,80 Meter höher. Die Nutzfläche konnte fast vervierfacht werden.
Neben aller sorgfältigen Restaurierungsarbeit an der Fassade (die notwendigen Ersatzklinker, vielfarbig und so nicht mehr erhältlich, lieferte eine „Torfbrennerei“ in Ostfriesland) gab es einige krasse Eingriffe. So wurde in den vorspringenden Mittelteil an der Weide („Risalit“) eine Durchfahrt für LKW gebrochen, die nicht kaschiert, sondern mit großen blau-gelb-grünen Fliesen hervorgehoben wurde. Die Fliesen stammen von Prof. Vehring von der HfK und wurden aus dem Kunst-am-Bau-Etat von 1 Mio. DM bezahlt (Gesamtkosten des Bauvorhabens: 180 Mio.). Der Löwenanteil des Kunstetats ging allerdings in die Großplastik des Düsseldorfers Manfred Ortner, der eine blaue Riesenlinse auf Stahlstreben legte („Neumond“); ein futuristischer Kommentar zu telekom . Darunter steht eine Telefonzelle (benutzbar), die sich in Grau ausnahmsweise dem Ambiente anpaßt. Hallogenlicht wird den „Neumond“ von unten anstrahlen.
Die Bremer Kunst ging nicht ganz leer aus: Auf der öffentlich nicht zugänglichen Dachterrasse durften drei BremerInnen Skulpturen aufpflanzen (Jana Grzimek, Andreas Wegner, Frank Bohlmann). Heigrun Kohnert aus Bassum und Claudia Rahayel aus Hamburg ergänzen den Skulpturenpark vor den Fenstern des Vorstands und der Cafeteria.
Augenfälligste Leistung der Hamburger Architektengruppe ist der neue Anbau bis zum Rembertitunnel, in dem die Postzüge be- und entladen werden. Hier gehen moderne Glas-Stahl-Konstruktionen eine gelungene Verbindung mit der vom Bahnhof übernommenen Farbbänder-Fassade ein. Daß ein Teil der Konstruktion von außen wie ein überdimensionaler Eisenbahnwagon erscheint, ist, sagt einer der Architekten, Claus Liening, ein planerischer Zufall, der sich beim „Kampf mit der Fassade“ ergab. An diesem Teil der Post durften die Planer ihre vom Denkmalschutz her gebotene Behutsamkeit ablegen und gestalterisches Selbstbewußtsein zeigen.
Fast jeder Brief findet seinen Briefsack selbst
Das Innenleben des Postamts 5 ist vollgestopft mit moderner Technologie, die den Durchlauf der 1 Mio. täglichen Briefe (fast) automatisiert: Nicht maschinenlesbare Adressen werden per Videotechnik von Bildschirmen aus streifencodiert. So findet fast jeder Brief seinen Briefsack selbst. Auch Päckchen und Pakete wandern „zielgesteuert“ durch die Hallen. Fast rührend stehen vereinzelt noch hölzerne Verteilspinde umher, für Not- und Wochenendfälle. Mit steigendem Vertrauen in die Technik werden aber auch sie verschwinden. Farben schaffen überall Orientierung: Gelb hat mit Briefen zu tun, rote Maschinen und Etiketten betreffen Pakete, Grün Päckchen. Ansonsten ist das Arbeitsplatzumfeld der ca. 1.300 hier tätigen PostlerInnen von einem trendy Bonbon-Mint bestimmt.
Ein Flop ist allerdings die Schalterhalle, in der durchgängig, an den Schaltern, den Schreibplätzen, als stilbildendes Element ausgerechnet Glasbausteine benutzt werden. Die vermitteln den peinlichen Eindruck einer Übungsbaustelle für das Maurerhandwerk; prätentiös und unelegant erscheinen die Leuchtbilder für die Postreklame. Die Vorrichtung für den EC-Automat im Mittelportal ist ebenfalls kein Gewinn.
Zum Glück für die PostlerInnen gibt es bei all der schnellen Technologie ein Rationalisierungsschutzabkommen mit der Postgewerkschaft: Auch den zahlreich beschäftigten Halbzeitkräften droht keine Entlassung. Die ohnehin hohe Fluktuation in dem Bereich ermöglicht unauffällige Ausdünnung. So soll es sein: die Neue Post setzt nämlich auf corporate identity; deshalb wird über dem Hauptportal nicht mehr „Postamt 5“ stehen wie ehedem, sonder nur noch das identitätsstiftende „Post“. Mit Hängegeranien drüber. Burkhard Straßmann
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