Der unauffällige Moderator der Macht

■ Ohne Politmanager Schäuble könnte das Bonner Kabinett ins Schleudern geraten PORTRAIT

Die Schüsse des 37jährigen Dieter Kaufmann trafen am Freitag abend den wichtigsten Mann im Kabinett von Bundeskanzler Kohl. Wolfgang Schäuble, am 18. September 1942 in Freiburg geboren, gilt spätestens seit den erfolgreichen Verhandlungen um den deutsch-deutschen Einigungsvertrag als Kronprinz des Kanzlers. Kohls Wunsch war es auch, daß der promovierte Jurist nach den ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember den amtierenden Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger ablösen soll. Und wenn der Kanzler neuerdings sogar über einen möglichen Nachfolger in seinem Amt sinniert, steht der Bundesinnenminister auf Platz eins der Kandidatenliste.

Seine Sporen verdiente sich Schäuble als exzellenter, nach außen hin unauffälliger Moderator der Macht. In der Sache bleibt der Badener freilich immer hart: „Rechtsfreie Räume“ wie die Hamburger Hafenstraße könnten „keinesfalls geduldet werden“, so wie sich auch der Rechtsstaat durch keinen Hungerstreik erpressen lassen dürfe. Politisch engagierte sich der begeisterte Tennisspieler schon 1961 in der Jungen Union. Seit 1965 Mitglied der CDU, arbeitete er sich konsequent in die Führungsspitze hoch. 1970 gehörte er noch dem Bezirksvorstand der südbadischen CDU an, drei Jahre später schon dem Landesvorstand in Baden- Württemberg. Als einer der jüngsten Abgeordneten zog er 1972 in den Bundestag ein und vertritt dort seither den Wahlkreis Offenburg.

Helmut Kohl ließ sich von Schäuble nicht nur Reden schreiben. Er war es auch, der das Mitglied des Bonner Finanzausschusses 1981 zum parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer küren ließ. Dem Kanzler loyal ergeben wurde Schäuble 1984 als „Bundesminister mit besonderen Aufgaben“ ins Kanzleramt geholt, um den ewigen Pannen seines Vorgängers, Staatssekretär Schreckenberger, ein Ende zu setzen. Im April 1989 löste er schließlich im Zuge einer Kabinettsreform die CSU-Altlast Zimmermann im Innenministerium ab — er mußte für Kohl die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen: Die Fronten in der Regierungskoalition waren völlig verhärtet, die CDU im absoluten Wählertief und Zimmermanns Gesetzesvorhaben in der Ausländer-, der Asyl und der Sicherheitspolitik auf ganzer Linie gescheitert.

Gegen alle Vorhersagen brachte Schäuble die liegengebliebenen Gesetzesvorhaben in der laufenden Legislaturperiode unter Dach und Fach. Er erwarb sich den Ruf des diskreten Politmanagers, seine Arbeit scheint dem Bonner Regierungsapparat unentbehrlich. Diesem Ruf schadete auch nicht, daß Schäuble dem Kanzler zu unpopulären und später zurückgenommenen Maßnahmen geraten hatte — etwa der Verlängerung des Wehrdienstes auf 18 Monate, der Einführung der Quellensteuer oder der Durchsetzung der WAA in Wackersdorf.

Der letzte Titel, den die Medien dem 48jährigen — verheiratet, drei Kinder — verliehen, lautet: „Architekt der deutschen Einheit“. Wolfgang Gast