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IG Farben will Buna und Leuna

■ Betroffene protestieren und bitten Treuhand um Schutz/ IG Farben hat entsprechenden Antrag gestellt

Berlin (afp) — Die „IG Farben in Abwicklung“ erhebt Ansprüche auf alle Anlagen und Grundstücke der ostdeutschen Chemiebetriebe Buna und Leuna. Dies bestätigte das Liegenschaftsamt Merseburg am Montag auf Anfrage. Ein Anwalt der IG Farben i.A. habe am vergangenen Mittwoch einen entsprechenden schriftlichen Antrag gestellt, gab Bärbel Pracht, eine Mitarbeiterin des Liegenschaftsamtes, an. Der Antrag sei registriert, es sei jedoch keinerlei Entscheidung gefallen. Die beiden größten Chemiewerke der früheren DDR waren bis 1945 Teil des Chemiekartells IG Farben, das nach dem Krieg auf alliierten Befehl wegen seiner engen Zusammenarbeit mit dem Naziregime zerschlagen und in Westdeutschland in die Konzerne BASF, Bayer und Hoechst geteilt worden war. Das Kartell hatte unter anderem das Giftgas „Zyklon B“ für die Ermordung von mehreren Millionen Juden geliefert. Die IG Farben i.A. ist seit 1950 ausschließlich damit beschäftigt, in aller Welt den nicht von den drei Nachfolgern übernommenen Besitz einzuklagen und zu liquidieren. Die an der Frankfurter Börse gehandelten IG Farben- Aktien gelten als exzellente Kapitalanlage.

Nach Angaben der 'Mitteldeutschen Zeitung‘ machen die alten Besitzer Investitionen von 884 Millionen Reichsmark geltend. Die ursprünglich von der Zeitung als Antragsteller genannten Nachfolgebetriebe BASF, Bayer und Hoechst haben dementiert, selbst vorstellig geworden zu sein. Leuna hat alle Ansprüche zurückgewiesen und beruft sich auf den Einigungsvertrag, der vor 1949 enteignetes Vermögen von der Rückgabe ausschließe. Buna- Sprecherin Rosemarie Johannes bestätigte, daß die IG Farben i.A. einen Antrag gestellt habe und bat um den Schutz der Treuhandanstalt. Die Treuhand ist mit der Privatisierung aller ehemaligen volkseigenen DDR-Betriebe beauftragt. Das Unternehmen mit 16.500 Beschäftigten habe einen Sanierungsplan eingeleitet, der nicht gefährdet werden dürfe, sagte die Buna-Sprecherin. Jetzt dürfe keine Zeit mit Rechtsstreitigkeiten verloren werden, die mit Sicherheit mehrere Jahre dauern würden.

Ärger dürfte es auch mit dem bundesdeutschen Energiekonzern VEBA geben. Dessen Tochter Chemische Werke Hüls (CWH) hat ein begehrliches Auge auf Buna geworfen. Weil das Bundeskartellamt einen Einstieg nicht zulassen würde, ist eine enge Produktionsverflechtung geplant.

Justizminister Engelhard hatte die Liegenschaftsämter vor kurzem angewiesen, vordringlich Rückerstattungsanträge mit „investivem Charakter“ zu bearbeiten. Die Anmeldefrist war am Montag abgelaufen. Das Bonner Justizministerium räumt jedoch auch späteren Anträgen zumindest eine Chance auf Entschädigung ein, da es den 15. Oktober nicht als Ausschlußfrist ansieht. Da die Liegenschaftsämter in der ehemaligen DDR mit der Antragsflut stark überfordert sind, will das Justizministerium in Berlin eine Zentralstelle einrichten, die die Bearbeitung beschleunigen und koordinieren soll.

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