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»Gorbatschow finde ich gut«

■ Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Gorbatschow wird als »Verpflichtung« verstanden

Berlin. Die von der taz befragten BerlinerInnen freuten sich über die Entscheidung des Nobelpreiskomitees, den diesjährigen Friedensnobelpreis an Michail Gorbatschow zu vergeben. »Finde ich gut«, und: »Letzten Endes ist es ihm zu verdanken, daß die November-Revolution in der DDR friedlich blieb«, waren die vorherrschenden Meinungen.

Den BerlinerInnen auf das Maul geschaut oder umgekehrt den Tenor angegeben haben auch die beiden Stadtoberhäupter Momper und Schwierzina. In einer gemeinsamen Erklärung begrüßten sie »mit Freude« die Nobelpreisentscheidung. »Kein anderer Mensch«, so heißt es, »hat sich in den vergangenen Jahren mehr um den Frieden in der Welt verdient gemacht als er. Die unter Michail Gorbatschow begonnene Politik der Transparenz und des Umbaus öffnete für die Länder Osteuropas den Weg zu Unabhängigkeit, Freiheit und Demokratie. Uns Deutschen brachte sie nach Jahrzehnten der Trennung wieder einen gemeinsamen Staat und Berlin die Wiedervereinigung.« Beide hoffen, daß die Rüstungsausgaben jetzt endlich drastisch reduziert werden können.

Die Nobelpreisehrung hat Gorbatschow »unbedingt verdient«, meinte auch der auf Kurzbesuch in Deutschland weilende Vorsitzende der Außenpolitischen Kommission der Republik Lettland, Mauriks Vulsons. Vulsons hofft aber, daß die Ehrung zu einer Verpflichtung gegenüber den auf Unabhängigkeit drängenden baltischen Staaten wird. »Entscheidend ist«, sagte er, »daß Gorbatschow jetzt einsieht, daß es keinen echten Frieden geben kann, solange der Wunsch nach Unabhängigkeit und Gleichberechtigung von Estland, Lettland und Litauen militärisch unterdrückt wird. Freundschaftliche Beziehungen mit der Sowjetunion kann es nur geben, wenn die seit 50 Jahren andauernde militärische Okkupation in den baltischen Staaten endlich beendet wird«.

Der Vorsitzende des Baltischen Studentenverbandes, Andres Urdzen, haut in die gleiche Kerbe. »Weltpolitisch verständlich« sei die Entscheidung, aber die meisten Balten würden wohl wie er »irritiert« sein, denn nach wie vor betreibe Gorbatschow eine »imperiale Großmachtpolitik«. Eberhard Diepgens Einschätzung, daß der sowjetische Präsident mit seiner Demokratisierungspolitik »den Menschen in Osteuropa bereits die Selbstbestimmung und die Hoffnung auf wirtschaftlichen Fortschritt gebracht hat«, würde in der UdSSR wohl auf heftigen Widerstand stoßen.

Als eine »Verpflichtung« empfindet auch Peter Fischer, Geschäftsleiter des Ostberliner Büros des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Preisverleihung. Er fand es »schön«, daß die Wahl dieses Jahr auf Gorbatschow fiel, fände »es aber noch schöner, wenn er jetzt Worte für die bedrängte Situation der Juden in seinem Land finden würde«. aku

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