: Kein Geld fürs »Weglaufhaus«?
■ Die Zukunft des Antipsychiatrieprojektes »Weglaufhaus« bleibt unsicher/ Es gibt Probleme mit Nachbarn/ Entscheidung über die Entsperrung bereits bewilligter Gelder fällt am Mittwoch
Reinickendorf. Die Zukunft des Antipsychiatrieprojektes »Weglaufhaus« ist weiter ungesichert. Gesundheitssenatorin Ingrid Stahmer wollte gestern keine Zusage zur Entsperrung von bereits bewilligten Geldern in Höhe von 450.000 Mark machen. Allerdings diskutierte die Senatorin mit Mitgliedern des »Vereins zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt«, die die Senatorin kurzerhand in ihrem Büro »überfallen« hatten, über die mögliche Entsperrung der Gelder auf der Hauptausschußsitzung am Mittwoch zu reden.
Die Senatorin selbst wollte die Entsperrung der Gelder jedoch nicht beantragen, weil ihr noch einige Papiere fehlten, ohne die sie die Gegenzeichnung des Finanzsenators nicht bekommen würde. Stahmer ließ dann aber erkennen, daß es keine Bedenken gebe, wenn die Fraktionen von SPD und AL diesen Antrag im Hauptausschuß einbringen würden. Dazu müßten allerdings die KollegInnen von AL und SPD ihre Fraktionen bewegen. Die AL-Abgeordnete Gisela Wirths sah da für ihre Fraktion jedenfalls keine Probleme.
Daß Ingrid Stahmer von sich aus nicht aktiv werden will, hat folgenden Hintergrund: Sie sagt, sie habe bisher noch keine schriftliche Stellungnahme des zuständigen Gesundheitsstadtrats aus Reinickendorf, Detlef Orwat (CDU). Und außerdem habe sie die Stellungnahme der Psysozialen Arbeitsgemeinschaften (PsAGs) erst seit einer Woche auf dem Tisch. Es sei erklärte Politik des Senates, daß man sich nicht über den Bezirk hinwegsetze.
Für die Weglaufhaus-Gruppe war das wiederum ziemlich verblüffend, weil sie die zustimmenden Voten der PsAGs und Orwats schon seit sechs Wochen vorliegen hatte. Problematisch ist da schon eher der Standort des bereits gekauften Hauses in der Alemannenstraße in Frohnau. Es ist allseits bekannt, daß der Standort Orwat nicht schmeckt, weil es Probleme mit den Nachbarn gibt.
Deren Proteste sind es letztlich, die den Gesundheitsstadtrat irritieren. Auf einer Informationsveranstaltung der Weglaufhaus-Gruppe war es den Mitgliedern nicht gelungen, vorhandene Vorbehalte der Nachbarn über eventuell gewalttätige zukünftige Bewohner des Hauses aus dem Weg zu räumen. Ein aufgebrachter Nachbar hatte dann mit Hilfe einer Unterschriftenaktion bei Ingrid Stahmer Protest angemeldet.
Daß es auch positive Meinungen von Nachbarn zum Weglaufhaus gibt, konnte die Gesundheitssenatorin nicht von ihrer grundsätzlichen Kritik abbringen: Der Weglaufhaus- Verein hätte bei seiner Aufklärungsarbeit enger mit der Gesundheitsverwaltung zusammenarbeiten sollen. Gerade nach dem Schäuble-Attentat sei eine Diskussion um Gewalt besonders sensibel. Nach einer möglichen Entsperrung der Gelder werde sie gerne mit den Nachbarn reden. lus
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