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Schleuderpreise für Alt-Jerusalem

Israel will die UNO-Verurteilung vergessen/ Die jüdische Besiedlung Ost-Jerusalems wird forciert  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Israelische Zeitungen berichteten gestern überraschend von einem bereits zu Beginn der Golfkrise ausgearbeiteten Plan der Schamir-Regierung, der einen Präventivschlag gegen den Irak vorsieht. Politische Beobachter sehen in der jetzigen Lancierung des Strategiepapiers aber lediglich einen Ablenkungsversuch. Denn die israelische Regierung will die einhellige UNO-Verurteilung des Blutbades vom Tempelberg und die vom Sicherheitsrat beschlossene Entsendung einer UNO-Delegation möglichst rasch von der politischen Tagesordnung kippen.

Auch die USA wollen die leidige Sache endlich beilegen. Im Gegensatz zur Jerusalemer Regierung aber ist nach Washingtoner Ansicht der erfolgversprechendste Weg dazu eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Israel und UNO. Nur dadurch sei, so das US-Kalkül, die Sache ohne weitere Intervention der UNO aus der Welt zu schaffen. Denn sollte der Sicherheitsrat schärfere Maßnahmen fordern, müßten die USA wieder zu ihrer lange geübten „Veto-Routine“ zurückkehren. Dies aber hätte Auswirkungen auf die neue amerikanisch-arabische Waffenbrüderschaft am Golf.

„Die Wahrung der amerikanischen Interessen darf nicht auf Kosten Israels gehen“, meinte ein israelischer Regierungsbeamter. Diese Meinung ist bezeichnend für die augenblickliche Stimmungslage in Israel. Durch die Weigerung, mit der UNO zusammenzuarbeiten, will man Washington warnen, ohne Berücksichtigung der israelischen Interessen im Nahen Osten eine eigene Konfliktlösung zu suchen. Die Stellung Israels als privilegierter Verbündeter der Vereinigten Staaten wird nachdrücklich in Erinnerung gebracht, eine „Nebenrolle“ im Golfkonflikt wird abgelehnt. In privaten Gesprächen gestehen israelische Regierungsmitglieder allerdings zu, daß es sich bei dieser Vorgehensweise um ein politisches Vabanquespiel handelt. Die Arbeiterpartei wagte immerhin die allgemeine Warnung, „alles zu unterlassen, was Israel politisch isolieren könnte“.

Auf völlig taube Ohren stieß diese Warnung indes bei der Schamir-Regierung. Völlig unbeeindruckt von UNO und Weltöffentlichkeit kündigte sie eine forcierte jüdische Besiedlung der annektierten arabischen Altstadt von Jerusalem an. Der Kabinettsausschuß für Einwanderung gab am Sonntag abend Pläne bekannt, wonach im kommenden Jahr im Rahmen einer großangelegten Baukampagne in acht Stadtteilen von „Groß- Jerusalem“ 15.000 Wohnungen für Einwanderer errichtet werden sollen. Sechs dieser Stadtteile liegen im besetzten Ost-Jerusalem, zwei werden neu aus dem Boden gestampft. Damit wird der Ring jüdischer Vorstädte um das arabische Ost-Jerusalem weiter vervollständigt. Im Rundfunk erklärte der Likud-Hardliner und gegenwärtige Wohnungsbauminister Scharon: „Jerusalem als die Hauptstadt des jüdischen Volkes ist stärker als jede Sicherheitsratsresolution.“

Details der Pläne wurden von der Sprecherin des Ministeriums für Eingliederung bekanntgegeben. Dann soll Gesamtjerusalem als „Entwicklungszone A“ gelten. Das heißt, Baugesellschaften genießen großzügige Steuervergünstigungen und jüdische Neusiedler können zu absoluten Schleuderpreisen Wohnraum erwerben. Insgesamt sieht der Plan bis zum Jahr 2000 ein „jüdisches Jerusalem“ mit 800.000 bis einer Million Einwohnern vor. Es gilt aber als wahrscheinlich, so ein Palästinenser bitter, daß trotz der Vertreibung der Palästineser einen palästinensischen Straßenzug erhalten bleibt. Aus Gründen touristischer Folklore.

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