: Als Senator gescheitert — für die Metaller gut?
■ Brief der IG-Metall-Ortsverwaltung Berlin an Franz Steinkühler für die Vorstandssitzung am 9. Oktober
Berlin. Mit Befremden wurde von der Berliner Ortsverwaltung die Entscheidung aufgenommen, den Kollegen Wagner als Bezirksleiter (Berlin-Brandenburg) einzusetzen. Wir möchten Euch bitten, diese Entscheidung zu korrigieren und einen anderen Kollegen oder eine Kollegin zu berufen. Sowohl der Führungsstil als auch das Politikverständnis des Kollegen Wagner entsprechen unserem Erachten nach nicht den Anforderungen unserer Organisation für die neunziger Jahre.
Besonders gravierend erscheint uns der Glaubwürdigkeitsverlust für die IGM aufgrund der Funktion, die der Kollege Wagner zur Zeit innehat. Der Kollege Wagner ist als Senator für Arbeit, Verkehr und Betriebe auch in dem für den DGB zentralen Politikfeld, der Arbeitsmarktpolitik, zuständig. Genau hier ist es ihm nicht gelungen, Akzente zu setzen, von der Entwicklung von Konzepten ganz zu schweigen. Angesichts der zu erwartenden 1,5 Millionen Arbeitslosen allein in der Region Brandenburg muß die IGM arbeitsmarkt- und tarifpolitische Initativen entwickeln und umsetzen.
Dies kann mit dem Kollegen Wagner nicht glaubwürdig geschehen, da sowohl unsere Kolleginnen und Kollegen als auch Arbeitgeber und politisch Verantwortliche uns auf die vom Kollegen Wagner nicht genutzten Chancen verweisen. Dies wird sich letzendlich lähmend auf die hierzu notwendige Mobilisierungs- und Kampfkraft auswirken.
Ein weiteres Problem ist das gestörte Vertrauensverhältnis der Beschäftigten der Verwaltungsstelle zum Kollegen Wagner. Dies ist unter anderem auf den bisherigen Führungsstil als auch auf seine Äußerungen nach seinem Weggang als Erster Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle Berlin zurückzuführen.
In der Öffentlichkeit kann darüber der Eindruck entstehen, daß ein Kollege, der als Senator gescheitert ist, an hervorragender Position der IGM immer noch gut zu gebrauchen ist bzw. versorgt werden soll.
Der Kollege Wagner vollendet im April 1991 das 60. Lebensjahr. Die schwierige Situation des Bezirks Brandenburg macht aber eine längerfristige Personalbesetzung notwendig.
Auch erhält mit diesem Vorgang die Debatte um angebliche Verfilzung von SPD und DGB neue Nahrung. Alles in allem sehen wir in der Berufung des Kollegen Wagner eine falsche Entscheidung, die wir uns in der heutigen Organisation nicht erlauben können.
Dieser Brief gibt die wesentlichen Diskussionspunkte der außerordentlichen Ortsverwaltungssitzung vom 30. September wieder.
Gezeichnet von drei Mitgliedern
der Ortsverwaltung
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