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Energiezukunft in Bremen, europäisch

■ Muß die Hansestadt nach 1992 Atomstrom beziehen? / Anhörung

“Es gibt keine EG-eigene Energiepolitik.“ Rolf Linkohr, Abgeordneter der Europäischen Parlamentes, mußte es wissen. Vor dem Ausschuß Energiepolitik der Bremischen Bürgerschaft klärte er die elf Abgeordneten aus den vier Landtagsfraktionen auf, welche Veränderungen der europäische Binnenmarkt für die Energieversorgung der Hansestadt bringen kann.

Wichtigste Erkenntnis für den Ausschuß an diesem Dienstag Nachmittag: Bremens Energieversorger werden mit allen europäischen Unternehmen in Konkurrenz treten. Vier EG-Richtlinien, die nach zweiter Parlamentslesung vom Europakabinett bereits „zustimmend zur Kenntnis genommen worden sind“ (Linkohr), sehen die freien Transitrechte für Erdgas sowie für Strom und Zuleitungen vor. Außerdem müssen alle Investitionsvorhaben bei der EG angezeigt und die Preise für Strom und Gas durchschaubar gemacht werden. Hintergrund für diese letzte Maßnahme: Die EG duldet keinen subventionierten Strom.

Welche Konsequenzen diese Richtlinien aber tatsächlich auf die Bremer Energieversorgung haben wird, ist auch für Rechtsexperten derzeit unklar. Der Münsteraner Jurist Rudolf Lukes geht davon aus, daß industrielle Großabnehmer nach 1992 möglicherweise billigen Atomstrom einklagen könnten. Lukes erwähnte dazu ein Fallbeispiel: Ihm sei bekannt, daß man bei Hoechst in Frankfurt darüber nachdenke, Atomstrom aus Frankreich zu beziehen. Mögliche Einsparungen für den Konzern nach einem positiven Urteil vom Europäischen Gerichtshof: 300 bis 400 Millionen Mark pro Jahr.

Die Frage, ob in der Hansestadt nach Öffnung der europäischen Grenzen Atomstrom durch das öffentliche Netz fließen wird, sei nach Lukes derzeit nicht definitiv zu beantworten. „Man kann dem Strom im Netz nicht ansehen, woher er kommt“, erklärte er den Abgeordneten. Ob das niederländische Modell, in dem Kommunen und Industrie als Direktabnehmer Strom kaufen, europaweit Schule machen könnte, sei derzeit nicht absehbar.

Vorerst, so schätzten die Experten ein, ändere sich nach 1992 erst einmal gar nichts an in der bremischen Energieversorgung. „Erst, wenn ein Kläger vor den Europäischen Gerichtshof tritt, können möglicherweise weitreichende Folgen eintreten“, rechnete der Jurist Lukes . mad

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