: Weint die Kirche dem Teufel nach?
■ Die Entmarxifizierung macht manchen katholischen Theologen Angst/ Selbst der Papst hat Bauchschmerzen
Jahrzehntelang gab es für die Glaubenshüter keine schlimmere Teufelei auf Erden als den Marxismus. Nun, wo es ihm wirklich an den Kragen geht, zeigen sich jedoch immer mehr Theologen eher beunruhigt denn triumphierend. Die Jesuiten- Zeitschrift 'Civiltá cattolica‘ sieht nur den Leninistischen Kommunismus untergehen: „Natürlich kann man gerade angesichts der von Gläubigen erlittenen Diskriminierungen den Zusammenbruch des leninistischen Kommunismus nur begrüßen. Es war das Leninistische Prinzip der Führungspartei ..., das zum Kollaps des Realsozialismus geführt hat.
Der Zusammenbruch ist dabei nicht durch Angriffe von außen her erfolgt — wie bei Faschismus und Nazismus —, sondern aus inneren Gründen... Dennoch gilt es gegenwärtig zu halten, daß der Kapitalismus, der nun so siegreich dasteht, zwar in einigen Ländern viel Gutes, doch andererseits in vielen anderen Ländern Armut und Elend geschaffen hat.“
Der als Sprecher der „Theologie der Befreiung“ bekannte brasilianische Theologe Leonardo Boff schreibt in der 'Revista Ecclesiastica Brasileira‘: „Zugrunde gegangen ist nicht der Marxismus und auch nicht die Grundidee des Kommunismus, sondern der autoritäre Sozialismus. Ihm war zwar die ,Revolution des Hungers‘ gelungen, nicht aber die ,Revolution der Freiheit‘. ... Doch die Grundwerte bleiben bestehen, und die gegenwärtige Krise hat die reinigende Funktion jeder Krise schlechthin.“
Selbst der Papst, sonst als Kommunistenfresser bekannt, bekommt neuerdings offenbar Unbehagen. Bei seiner jüngsten Reise nach Mexiko verkündete er gar: „Es wäre ein Fehler, das liberal-kapitalistische System nun als einzig richtigen Weg für unsere Welt darzustellen, aufgebaut auf der Niederlage des Realsozialismus, aber ohne Kritik an dem, was der Kapitalismus an negativen Nebeneffekten hat, speziell in der sogenannten Dritten Welt.“ In einer Epistel an die Bischöfe Asiens sagt er: „Die Kirche muß auch die ungeheure Armut und die Ausbeutung der Arbeiter, ja die Reduzierung zu Sklaven in vielen Völkern sehen, die den Boden für die Entstehung schlimmer gesellschaftlicher Unruhen bilden...“ Auswahl der Texte:
Alceste Santini/ Werner Raith
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