: Thema heute: Entmarxifizierung
Mit dem Abschied vom „c“ — für „comunista“ — den die Führung der italienischen Kommunisten am Wochenende verkündet hat, haben nun mit Ausnahme der sowjetischen und der französischen, alle relevanten „K“-Parteioberen das durch den Ost-Kollaps kompromittierende Adjektiv getilgt. Nun steht offenbar der nächste Schritt auf dem Programm: Marx selbst soll, jedenfalls nach Absicht nahezu aller Parteiführungen, auf den Scheiterhaufen. Gemeinsamer Nenner allüberall: Das Verschwinden einschlägiger Vokabeln will vor allem die Generation der 30- bis 50jährigen, die vor kurzem das Kommando in den Parteien übernommen haben und die sich persönlich eher nach Yuppie- und Managerart aufspielen denn als Hüter von Arbeiterinteressen oder gar als Propheten einer klassenlosen Gesellschaft. Wenn sie von „neuen und alten Ideen“ sprechen — wie etwa Livia Turco im Kommentar nebenan — kommt das Wort „marxistisch“ schon längst nicht mehr vor.
Dagegen rührt sich nun allmählich Widerstand. Nach einer Phase der Lähmung, ausgelöst durch den rapiden Verfall der realsozialistischen Staaten, den Bruch der Berliner Mauer und die atemberaubend schnelle Wiedervereinigung Deutschlands, suchen ganz unterschiedliche Gruppen und Denkschulen den antimarxistischen Dammbruch aufzuhalten. Vor allem die älteren Links-Kombattanten — siehe den Kommentar von Rossana Rossanda — und große Teile des Nachwuchses kämpfen gegen die Tendenz, „unsere gesamte Tradition, Licht- wie Schattenseiten, einfach auf den Müllhaufen zu werfen“ (so der italienische Alt- Linke Pietro Ingrao). Marx, obwohl ihn viele von ihnen schon lange nicht mehr als unkritisierbaren Evangelisten ansehen, bedeutet ihnen „noch immer mehr als all die Verkünder angeblich demokratischer, in Wirklichkeit aber nur konsumorientierter Freiheiten“ (wie ein Flugblatt während des Kongresses der portugiesischen KP-Parteijugend bemängelt). Generalnenner der Marx-Retter: Die Trennung des Vordenkers von seinen Epigonen und vor allem von all jenen, die ihn anzuwenden versucht haben.
EUROTAZ berichtet, wie in verschiedenen Ländern Parteiführer und Parteibasis, Philosophen und Theologen derzeit mit dem marxistischen Erbe umgehen.
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