: Italiens EG-Präsidentschaft: „Keiner hat uns lieb“
■ Aus Rom Werner Raith
Italiens Ministerpräsident Andreotti und sein wieseliger Außenamtschef De Michelis außenpolitisch unter Druck: „Völlig unvermittelt“ und, natürlich, auch „völlig zu Unrecht“ sähen sie sich, so ein Regierungssprecher, einem „wahren Trommelfeuer von Kritik aus allen Rohren ausgesetzt“. Es geht um die Amtsführung Italiens in der EG-Präsidentschaft.
Noch am geringsten wiegt dabei der Vorwurf, daß die Italiener Dutzende von Sitzungen einberufen, „bei denen es weder Strukturen noch Tagesordnungen, aber viel Geschwätz gegeben hat“, wie die Zeitung 'la Repubblica‘ die Stimmung beschreibt. Das Mißtrauen richtet sich mittlerweile gegen alles, was die Leute aus Europas Süden tun.
Sicher: Ärger wegen ihrer allzu ungenierten Art, mit allerlei Ost- und Südaktivitäten einen Gegenpol zur deutschen Hegemonie zu schaffen (siehe das heutige Tagesthema auf Seite3) hatten sich Andreotti und Co. von Bonn/Berlin erwartet.
Nicht bedacht hatten sie aber, daß ihre Bestrebungen zur Schaffung eines „zweiten Europazentrums“ auch andere Partner, wie etwa das leicht in seinem Vorrangstolz kränkbare Frankreich, verärgern könnten. So versuchten die Italiener, die Mißstimmung im Rahmen der anstehenden Neuverteilung der Ämter und Organe der Europäischen Gemeinschaft aufzufangen — aber auch das ist gründlich schiefgegangen. Ein besonders schwerer Schlag, hatten die Partner der Europäischen Gemeinschaft diese Aufgabe doch während der Präsidentschaft Irlands just deshalb auf das Italien-Halbjahr verschoben, weil Andreotti allen als besonders geschickter Vermittler galt. Doch Belgiens Regierungschef Martens zum Beispiel erklärt nun, die von Rom ausgearbeitete Neuverteilung der EG-Organe habe „zur größten Verstimmung seit einem Jahrzehnt“ geführt.
Im Gegensatz zu ersten Absprachen wollen die Italiener, nunmehr aus Rücksicht auf die Franzosen, die Plenarsitzungen in Straßburg belassen und nicht wie die Kommissionsarbeit auch nach Brüssel verlegen. Die Belgier sind so verstimmt, daß sie sogar Italiens Unterstützung einer Kandidatur Martens' für die Nachfolge von Kommissionschef Jacques Delors ausschlugen.
Einzig Luxemburg zeigt sich bisher mit der Amtsführung Italiens zufrieden: Nach den neuen Plänen soll dem Großherzogtum zwar der Drittelsitz des Parlaments entzogen und nach Belgien verlagert werden — dafür aber bekommen die Kleinstaatler die neu aufzubauende Europäische Zentralbank. Mit einer Einschränkung allerdings: Alles, was den Umweltschutz betrifft, wollen die Italiener.
Dafür soll in Mailand eine eigene Öko-Agentur der Europäischen Gemeinschaft eingerichtet werden. Kein schlechtes Geschäft: Dem Umweltschutz wird, weil eine der größten Gemeinschaftaufgaben nach der Osthilfe, der zweitgrößte Batzen des gesamten EG-Haushalts zufließen.
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