piwik no script img

AsylbewerberInnen in den Osten

■ Die fünf neuen Bundesländer sollen 20 Prozent der AsylbewerberInnen aufnehmen/ Die meisten von ihnen werden nach Sachsen geschickt, das „schwärzeste“ der neuen Länder 4

INLANDDONNERSTAG, 18.10.90

Berlin (taz) — Etliche Gemeinden im Westen werden aufatmen, andere im Osten werden schon bald mit einem völlig neuen Problem konfrontiert sein: voraussichtlich noch in diesem Jahr werden AsylbewerberInnen auch auf das Gebiet der ehemaligen DDR-umverteilt. Gemäß einem festgelegten Verteilerschlüssel, der sich nach der Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes bemißt, werden die meisten dieser Flüchtlinge ausgerechnet im „schwärzesten“ neuen Bundesland, in Sachsen, leben müssen. Konflikte, Verteilungskämpfe und zunehmende Ausländerfeindlichkeit scheinen damit vorprogrammiert.

Insgesamt 20 Prozent der Flüchtlinge, die bisher fast ausschließlich in der Bundesrepublik Asyl suchten, werden künftig die Länder, Städte und Gemeinden jenseits der Elbe aufnehmen müssen. So steht es im Einigungsvertrag festgeschrieben. Da die fünf neuen Bundesländer zur Zeit kaum Flüchtlinge aufnehmen, werden voraussichtlich sämtliche neu ankommenden AsylbewerberInnen in die ehemalige DDR geschickt werden.

Darüber hinaus jedoch werden vor allem aus denjenigen West-Bundesländern, die bisher ihr „Aufnahmesoll“ übererfüllt haben, Flüchtlinge umverteilt werden. Das betrifft vor allem Asylsuchende in Berlin, Hessen und Hamburg.

Am Montag wurden im Zirndorfer Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge bei einem Bund-Ländertreffen dazu genauere Modalitäten festgelegt. Erstmals nahmen an diesem Treffen auch Vertreter der neuen fünf Bundesländer teil. Als erste vorbereitende Maßnahme für die Umverteilungsaktion beschlossen die Regierungsvertreter, daß in allen fünf neuen Länder Außenstellen des Zirndorfer Bundesamtes eingerichtet werden sollen. Nach West-Vorbild soll pro Bundesland eine zentrale Anlauf- und Aufnahmestelle für Flüchtlinge eingerichtet werden — in unmittelbarer Nachbarschaft einer dafür eingerichteten zentralen Ausländerbehörde.

Wo die Asylsuchenden untergebracht werden, ob in großen Sammellagern oder verteilt auf Städte und Gemeinden, ist Sache der Bundesländer. Da die Länder der Ex- DDR formal schon seit dem 3.Oktober verpflichtet sind, der Bundesrepublik die „Flüchtlingsquote“ von 20 Prozent abzunehmen, stehen sie zur Zeit verstärkt unter dem Druck, Unterbringungsmöglichkeiten zu beschaffen. In Ost-Berlin wurden bereits einige „Objekte“ gefunden: eine ehemalige NVA-Kaserne und ein Stasi-Anwesen. Vera Gaserow

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen