piwik no script img

“Liebe, Rache, Cappuccino“

■ Italienische Familiensaga von Jon Amiel

Italienische Familiengeschichten sehen wir im Kino immer wieder gerne. Von Anna Magnani über Sophia Loren bis zu Cher reicht die Ahnenreihe der temperamentvollen Frauen, die in der Küche ihren komischen, meist im Unterhemd schwitzenden Mannsleuten die Spaghetti auf den Teller klatschen. Der junge englische Regisseur Jon Amiel spielt in „Queen of Hearts“ mit all diesen gängigen Klischees: Spaghetti kommen garnicht vor, dafür aber viel Cappuccino und die „grande opera“. Als solche erlebt und erzählt der zehnjährige Eddie Lucca die Saga seiner Einwandererfamilie in England. In der Liebesgeschichte seiner Eltern blitzen die Messer, und ihr Liebestot wird nur durch den Sprung in einen Heuwagen verhindert. Das ärmliche Leben in einem Cafe im italienischen Viertel Londons wird in seiner Erinnerung zu einem Drama voller Romantik, Hass und Kaffeetassen. Da erscheint der Gerichtsvollzieher als schwarzer Bote des Todes, und ein gebratener Schweinskopf läßt den Apfel aus der Schnauze rollen, um dem Familienvater zu verraten, mit welchen Karten er beim Spiel gewinnen kann.

Die kratzbürstige Oma, die nicht mehr gelacht hat, seit Queen Victoria starb; der merkwürdige Opa; der verlorene Sohn und die schwangere Tochter: Amiel und Drehbuchauthor Tony Grisoni haben nichts ausgelassen, aber trotzdem stimmt alles an diesem Film. Er ist nicht überladen, trotz all der kleinen Geschichten, die er oft nur anreißt. Amiel läßt die Szenen originell und mit perfektem timing zwischen Gefühl und Komik hin- und herkippen. So ist man bewegt und amüsiert — lacht über die Phantasien des Kindes, läßt sich aber doch auf sie ein und hofft, wenn es drauf ankommt, bange, daß es gut ausgeht.

„Queen of Hearts“ hat den tumben deutschen Titel „Liebe, Rache, Cappuccino“ wahrlich nicht verdient. Der Film ist vollgestopft mit kleinen cinematographischen Tricks und Details, gleichzeitig weiß Amiel genau, wie er auf der Leinwand die großen Gefühle wecken kann, ohne sentimental zu werden. Für einen Regisseur, der bisher nur fürs Fernsehen gearbeitet hat, ist dies ein erstaunlich guter Film. Man darf auf seine nächsten Projekte gespannt sein: im Gespräch sind Verfilmungen von Mario Vargas Llosas „Tante Julia und der Kunstschreiber“ und Ian McEwans Berlinroman „Unschuldige“.

Wilfried Hippen

Atlantis 18.00, 20.30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen