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Mehr Betroffenheit als Heiterkeit

■ betr.: "Aus für Weglaufhaus?", taz vom 5.10.90

betr.: »Aus für Weglaufhaus?«, taz vom 5.10.90

Es tut einfach weh, wenn dieser Schlotthaus in der taz versuchen darf, uns Leute von der Irren-Offensive e.V. lächerlich zu machen. Es kam weniger Heiterkeit als Betroffenheit auf, als sich einige von der Irren-Offensive bei der AL-Anhörung zum Weglaufhaus zu Wort meldeten, denn die Karten standen sowieso schon schlecht fürs Weglaufhaus, und dann kommen noch einige von der Irren-Offensive und wollen inhaltlich grundlegende Dinge anders haben...

[...] Wir möchten, daß im Weglaufhaus Personen arbeiten, die selbst einmal in der Psychiatrie PatientIn waren, die das einmal erlebt haben, die wissen, wie es ist, verrückt zu werden, und die auch das überlebt haben. Könnt Ihr Euch ein Frauenhaus vorstellen, in dem Männer arbeiten?

Wir wollen keine Feld-Wald-Wiesen-PsychologInnen und SozialarbeiterInnen; die gibt es ja reichlich in allen anderen Institutionen, mit denen haben wir schon unsere Erfahrungen gemacht. Wir trauen den Leuten, die der Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt e.V. in diesem Weglaufhaus arbeiten lassen will, nicht über den Weg, denn wir haben sie kennengelernt: Sie wollten verhindern, daß wir Mitglieder im Verein werden, sie haben uns angelogen und uns an der Nase herumgeführt. Jetzt wollen sie uns wieder rausschmeißen und zerren uns durch die taz.

Wir reden ihnen nicht nach dem Mund, sondern fordern ein Weglaufhaus von Psychiatriebetroffenen für Psychiatriebetroffene. [...] Marianne Lahni, Bettina Heinzelmann,

Dorothea Günther, Berlin

[...] Wir wissen, wie gefährlich es ist in dieser Gesellschaft, als möglicherweise paranoid zu erscheinen, aber könntet Ihr nicht zugeben, daß zumindest die »Möglichkeit« besteht, daß wir auch hier in Eurer Zeitung benachteiligt sind? Wir hätten Leerformeln über konzeptionelle Fragen geredet. Hatte der »Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt e.V.« dann dagegen gefüllte Formeln ohne Konzept, oder was?

Ein Weglaufhaus ist kein Elefant, die Konzeption des Hauses ist das Haus. Oder könnte die taz uns beim Aufbau unserer neuen Organisation »Vakuumos« unterstützen? Wofür »Vakuumos« steht und wer ihre Mitglieder sind, das können wir ja später entscheiden. Zuerst geht es um die Existenz von »Vakuumos«!

Wer entscheidet? Wir nämlich! So spricht der Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt, und so spricht Euer Reporter. [...]

Dieser Verein hat erst kürzlich fünf (!!) Irren-Offensivler aus ihrem Verein geschmissen. Anderen wurde die Mitgliedschaft verwehrt; einer Frau aus der Irren-Offensive mit der Begründung: »Wir haben schlechte Erfahrungen mit der Irren-Offensive gemacht!« Daß eine Handvoll Irren-Offensivler noch im Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt sind und sogar mitbeteiligt am Rausschmiß waren, macht das Ganze noch unerträglicher.

Es steht in den rot-grünen Vereinbarungen: »...wir wollen neue Wege ausprobieren wie zum Beispiel das von der Irren-Offensive geplante Weglaufhaus...« Hier also eine klare Aussage darüber, von wem und welcher Gruppe die Idee eines Weglaufhauses stammt. Außerdem meinte ein Sprecher des Vereins, das Projekt sei kein Selbsthilfeprojekt. Keiner hat ihm widersprochen. Wie kann der rot-grüne Senat behaupten, dies sei das gleiche Haus, das er der Irren-Offensive versprochen hat?

Es gibt zu viele Unverschämtheiten dieses Vereins, und sie sind viel zu absurd, als daß wir sie hier auflisten könnten. Wir wurden nach Strich und Faden verarscht. [...] Adrian, Marianne

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