: Töpfer spielt an der Handbremse
■ Der Bonner Umweltminister und sein neues Konzept „Auto und Umwelt“ KOMMENTARE
Das gestern von Töpfer vorgestellte Konzept „Umwelt und Auto“ zeigt den Bonner Umweltmann in seiner Lieblingsrolle: als Bundesreparaturminister. Er läuft mit hängender Zunge der Entwicklung hinterher und versucht die Rauchwolke mit dem Küchensieb einzufangen. Diesmal soll angesichts des drohenden Verkehrsinfarkts durch nachsorgenden Umweltschutz gerettet werden, was nicht mehr zu retten ist. Konkret: Durch Pfandsysteme bei der Autoverschrottung, durch schärfere Grenzwerte bei Lastern, durch noch mehr Katalysator-Fahrzeuge soll die Mär vom umweltfreundlichen Auto und grenzenloser Mobilität über die nächsten Jahre gebracht werden. Das Ganze wird garniert von einem Lippenbekenntnis zu Schiene und Bahn.
Zehn Jahr vor der Jahrtausendwende ist das Auto — selbst wenn fünf Katalysatoren gleichzeitig dranhängen und hinten nur noch Veilchenduft rauskommt — die Stadt- und Landplage Nummer eins. Aus einem einfachen Grund: Die Städte sind bis zur letzten Parklücke voll, das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Es stinkt, kracht, quietscht und rostet an jeder Ecke, der Stau bestimmt das Tempo.
Daß Töpfers Maßnahmenpaket sinnlos ist, daß es nur erträglicher und ein wenig länger aushaltbar machen soll, was längst unerträglich geworden ist, kann man am Beispiel des Katalysators sehen. Der Kat hat nur die Illusion des sauberen Autos aufrechterhalten. Was er an Einsparnissen von Gift und Dreck gebracht hat, haben die zusätzlichen Fahrzeuge und die mehr gefahrenen Kilometer längst wieder aufgehoben. Der Steuerbonus für Kat-Autos ist nichts anderes als eine direkte Alimentierung des Autos und damit eine Hilfe zur weiteren Ausbreitung der Seuche.
Die sechs größten Industriestaaten verfügen heute über 75 Prozent des Welt-Automobilbestandes. Ein entsprechender Motorisierungsgrad in Osteuropa oder in den Entwicklungsländern zieht zwangsläufig den ökologischen Kollaps nach sich. Es hat aber wenig Sinn, die anderen Länder (wie jetzt die Ex-DDR) zu beschimpfen, wenn sie auf ein Niveau nachrüsten, das wir wie selbstverständlich für uns beanspruchen. Es gibt nur eine Alternative: den eigenen Autowahn lahmlegen. Das fängt bei saftigen Benzinpreisen und kräftiger Besteuerung an, geht bis zu Einfahrverboten in Innenstädte und hört bei attraktiven Umsteigeangeboten auf. Alles andere ist Augenwischerei, Autopolitik mit leicht angezogener Handbremse. Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen