Kleinkrieg in Kreuzberg eskaliert

■ Massive Auseinandersetzungen zwischen BewohnerInnen des Wassertorplatzes und Autonomen/ Tränengas gegen Selbsthilfemitglieder/ Türen und Fenster wurden demoliert/ BewohnerInnen verbarrikadieren sich aus Angst vor Autonomen

Kreuzberg. Der Kleinkrieg in der linken Kreuzberger Szene ist gestern eskaliert. Zwischen den Mitgliedern des linksalternativen Selbsthilfevereins »Studenten und Kreuzberger« (StUK), die einen Gebäudekomplex am Wassertorplatz bewohnen, und Anhängern der autonomen Szene kam es gestern vormittag zu massiven Auseinandersetzungen. Während einige Autonome Tränengas versprühten, griffen BewohnerInnen zu einem Wasserschlauch und spritzten ihre Kontrahenten naß. Für den Abend wurden weitere Auseinandersetzungen befürchtet.

Hintergrund des Konflikts: Seit Mitte April halten rund 15 Autonome den Dachboden des selbstverwalteten Hauses am Wassertorplatz besetzt. Sie verschafften sich damals gewaltsam Einlaß, warfen den BewohnerInnen vor, den Dachboden nicht zu nutzen, und stellten die »Eigentumsfrage«. Die ist seit gestern vorläufig zugunsten der BewohnerInnen geklärt: Als die BesetzerInnen am Donnerstag außer Haus waren, sicherten die BewohnerInnen einen Teil des okkupierten Dachbodens und verbarrikadierten den Raum.

Am Freitag vormittag kamen die ausquartierten ungebetenen Gäste aber zurück — und brachten nach Angaben von BewohnerInnen gleich 200 vermummte autonome Freunde mit. »Sie richteten so eine tierische Sachbeschädigung an, die ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen habe!« meinte eine Bewohnerin. Die BesetzerInnen hätten Tränengas versprüht und alle Fenster und Türen demoliert. Die Türen seien dann mit Teer verschmiert worden, damit sie nicht mehr zu öffnen seien. Die BewohnerInnen hätten dann mit einem Schlauch Wasser auf die AngreiferInnen gespritzt, um sie zu vertreiben.

Als die BewohnerInnen schließlich Strafantrag wegen Sachbeschädigung stellten, wurde die Polizei aktiv und stellte die Personalien der BesetzerInnen fest. Eine polizeiliche Räumung habe man nicht beantragt, versichern die BewohnerInnen. Als DemonstrantInnen dann versuchten, die Abfahrt von Polizeifahrzeugen zu verhindern, setzten die Beamten Schlagstöcke gegen die BlockiererInnen ein. Die BesetzerInnen hatten sich geweigert, den Polizisten ihre Namen zu nennen. »Dann nehmen wir euch mit!« war die Antwort. Nach einigen Minuten wurden die Festgenommenen, die meisten von ihnen junge Frauen, dann aber doch freigelassen.

Bereits am Donnerstag abend hatten die StUK-Mitglieder die Polizei gerufen, um sich vor rabiaten BesetzerInnen zu schützen. Mit Hilfe der Polizei wurde der Dachboden dann verbarrikadiert.

Vor längerer Zeit hatte der Selbsthilfeverein tatsächlich einmal einen Räumungsantrag bei der Polizei gestellt. Die winkte jedoch ab. Entnervt von dem Kleinkrieg, sind viele BewohnerInnen des Hauses am Wassertorplatz mittlerweile ausgezogen.

Für gestern abend rechneten die StUK-Mitglieder mit weiteren Angriffen aus der autonomen Szene. Bis Redaktionsschluß blieb es jedoch ruhig. Die BewohnerInnen hatten die Eingangstüren verbarrikadiert, vor der Tür wachen Mannschaftswagen der Polizei. Doch die Stille glich eher der Ruhe vor dem Sturm. thok/taz