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Demokraten gegen graue Wölfe?

■ Der „Fußballkrieg“ bei Basel zwischen Türken und Kurden hat vermutlich einen politischen Hintergrund

Die blutige Schlacht auf den St.- Jakob-Sportplätzen in der Nähe von Basel, die am Mittwoch abend einen Toten und fünf Schwerverletzte forderte, wurde möglicherweise von der rechtsextremen türkischen Organisation „Graue Wölfe“ provoziert.

Mit Pistolen, Messern, Eisenstangen und Tränengas waren rund 100 Mitglieder und Anhänger des vorwiegend aus Türken bestehenden A-Teams und der weitgehend aus Kurden zusammengesetzten B-Mannschaft des Fußballvereins FC Anadolu anläßlich eines Trainings aufeinander losgegangen. Hinweise auf eine Beteiligung der „Grauen Wölfe“ gaben Mitglieder der B-Mannschaft am Donnerstag abend auf einer Pressekonferenz.

Bis zum Beginn der diesjährigen Fußballsaison Ende August hatte es trotz der tiefen Konflikte zwischen den Türken und Kurden in ihrem Heimatland kaum Reibereien beim in Münchenstein (Kanton Baselland) ansässigen FC Anadolu gegeben: Das türkische A-Team spielte bislang in der dritten, das kurdische B-Team in der vierten Nordwestschweizer Liga. Mit dem Aufstieg des B-Teams in die 3. Liga begannen die Probleme.

Nach einer Bestimmung des Fußballverbandes muß jeder Verein pro zwei für dieselbe Ligaklasse gemeldete Teams einen Schiedsrichter stellen.

Dazu sah sich der FC Anadolu nicht in der Lage und durfte daraufhin nur eine Mannschaft benennen. In der ersten Meisterschaftsrunde am 26. August verzichtete der Verein auf den Spielantritt. Andolu A begründete dies mit der Angst vor Gewaltmaßnahmen der kurdischen Anhänger des B-Teams. Ein am 2.September vereinbarter Kompromiß sah vor, daß die beiden Mannschaften die Meisterschaftsspiele künftig abwechselnd bestreiten.

Doch letzten Sonntag erschien die kurdische wie die türkische Elf zum Match gegen Nordstern. Die Polizei verwehrte beiden Teams und ihren Anhängern den Eintritt ins Stadion. Der Schiedsrichter pfiff die Partie erst gar nicht an. Sie wurde mit 3:0 für Nordstern gewertet. Die für morgen vorgesehene Paarung FC-Anadolu gegen Riehen setzte der Fußballverband vorsorglich vom Spielplan ab.

Bei der Polizei herrschte bis gestern noch Unklarheit über Auslöser und genauen Hergang der bislang schwerwiegendsten Gewalttätigkeiten auf einem Schweizer Fußballfeld. Ihre 60 Beamten erschienen erst am Ort des Geschehens, als die meisten an den Auseinandersetzungen Beteiligten bereits verschwunden waren. Die Aussagen von Spielern und Fans beider Teams sind nach Angaben der Polizei widersprüchlich und obendrein unlogisch.

Auch der Mann, der ein 37jähriges Mitglied des A-Teams mit einem Pistolenschuß tödlich verletzte, ist bislang nicht identifiziert. Nach Darstellung des Kapitäns der B-Mannschaft schoß er zunächst mehrfach in die Luft, bevor er auf die kurdischen Spieler und Fans feuerte.

Nach seiner Darstellung seien weniger ethnische, sondern politisch-weltanschauliche Konflikte die Ursache für den Ausbruch der Gewalttaten. Das B-Team, so sein Kapitän, zähle sich zu den „Demokraten“, während der aus Türken zusammengesetzte Vereinsvorstand des FC Anadolu aus Sympathisanten der „Grauen Wölfe“ bestehe. „Graue Wölfe“ aus der Region Olten südöstlich von Basel hätten aktiv bei der Schlägerei mitgemischt.

Das Gelände der heutigen St.-Jakobs-Sportplätze war schon einmal Ort eines blutigen Geschehens: In ihrem Freiheitskampf hatten hier die Eidgenossen 1444 gegen eine 20fache Übermacht der Armagnaken gekämpft.

Andreas Zumach, Genf

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