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FMLN-Großoffensive in El Salvador?

Guerilla-Angriff auf Kaserne in San Salvador wurde vom Militär zur Offensive hochgespielt  ■ Von Ralf Leonhard

Guatemala-Stadt — Die salvadorianische Armee begann am Donnerstag, in einem Großeinsatz die Peripherie von San Salvador nach Guerilleros zu durchkämmen. Allerdings ohne sichtbaren Erfolg. Eine Attacke der FMLN auf Militärstützpunkte in der Hauptstadt in der vorangegangenen Nacht war allgemein als Auftakt zur lange angekündigten Großoffensive interpretiert worden. Die Guerilleros zogen sich jedoch nach dem Angriff wieder zurück.

Alle Armee-Einheiten wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt, als die FMLN am Mittwoch mit Katapultbomben auf die Kaserne der Luftwaffe im östlichen Vorort Ilopango feuerte. Einige Soldaten wurden verletzt, sechs Hubschrauber trugen leichte Beschädigungen davon. Zivilisten kamen nicht zu Schaden. Gleichzeitige Angriffe auf Ziele in den nördlichen Stadtteilen Zacamil und Mejicanos dürften reine Ablenkungsmanöver gewesen sein. Wie nach jedem Angriff auf die 1. Infanteriebrigade riegelten die Militärs Donnerstag morgen die Nationaluniversität ab. Studenten mußten sich abtasten lassen, alle ein- und ausfahrenden Autos wurden untersucht.

Ob die Attacke auf Ilopango nur ein Probelauf war oder bereits der Beginn einer Serie von Großangriffen auf militärische Ziele, das werden erst die nächsten Tage zeigen. Drei Sprengstoffanschläge gegen Strommasten in San Salvador richteten Donnerstag abend nur geringen Schaden an. Sicher ist, daß der Luftwaffenstützpunkt ein vorrangiges Ziel bleiben wird. Bei der Planung der Offensive vom letzten November hatte das FMLN-Oberkommando den schonungslosen Einsatz der Luftwaffe gegen dicht besiedelte Viertel unter der Kontrolle der Guerilla nicht vorausgesehen. Denselben Fehler würde die FMLN kein zweites Mal begehen.

Der Armeesender „Radio Cuscatlan“ spekulierte, der Angriff sei auf eine Spaltung im FMLN-Oberkommando — zwischen einer kriegerischen Fraktion und einer, die verhandeln wolle — zurückzuführen. Miguel Saenz von der Politisch-Diplomatischen Kommission der FMLN erklärte währenddessen in Costa Rica, daß eine neue militärische Initiative jederzeit denkbar sei, obwohl die Rebellen den auf 4. November angesetzten Termin für die nächste Dialogrunde wahrnehmen wollen.

Das Treffen zwischen FMLN- Vertretern und Costa Ricas Präsident Rafael Angel Calderon war der Auftakt zu einer „diplomatischen Offensive“ der FMLN in Europa und Amerika. Eine Dreiergruppe traf am Mittwoch in Bonn ein, um mit Bundestagsabgeordneten zu sprechen. Der Guerilla geht es vor allem darum, ihren Forderungen nach einer Säuberung der salvadorianischen Armee Nachdruck zu verleihen. Bisher hat der Dialog mit der Regierung lediglich ein Menschenrechtsabkommen hervorgebracht, das, wie Saenz sagt, „jeden Tag durch die Militärs verletzt wird“.

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