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Bonner Angst vor dem „ganz anderen“

■ Zwei Parlamentarierinnen der PDS über ihre ersten Wochen im Bundestag

„Drüben“, sagt Dagmar Enkelmann sanft, „drüben ruht die Demokratie ganz fest in sich.“ Drüben heißt in der früheren BRD. Und sanft ist nur Dagmar Enkelmanns Stimme. „In dieser Demokratie passiert einfach nicht genug“, fügt sie hinzu. Seit zwei Wochen ist die 34jährige Historikerin aus Frankfurt/Oder und ehemalige Volkskammerabgeordnete Parlamentarierin in Bonn. Schon jetzt hat sie den Einduck, „daß wir uns kräftig durch die verkrusteten Strukturen hier beißen müssen.“ Noch glaubt sie, „daß wir in dieses Parlament was ganz anderes reinbringen können.“

„Was ganz anderes“ ist nicht faßbar. Dagmar Enkelmann möchte sich zukünftig in Bonn dafür einsetzen, daß die Frauen aus der ehemaligen DDR mit der Wiedervereinigung nicht ihre Rechte verlieren: Sie sollen weiterhin nach dem Modell der Fristenlösung abtreiben können. Für die Kinder der berufstätigen Mütter, darum will sie ringen, soll der Staat auch in Zukunft weiter so sorgen, wie bisher in der Ex-DDR. Dagmar Enkelmann möchte „die Opposition im Bundestag stärken“, ihn „als Forum nutzen.“ Mehr kann sie sich unter der Arbeit hier noch nicht vorstellen und damit auch nicht unter dem möglichen „ganz anderen.“

Solveig Wegener, 28 Jahre, Agrar-Ingenieurin aus Neubrandenburg, ehemals PDS-Volkskammerabgeordnete und seit zwei Wochen ebenfalls Parlamentarierin in Bonn, geht es nicht anders. Es gelte einfach ganz allgemein, die eigenen DDR- spezifischen Erfahrungen einzubringen. Sie kenne eben die Bauern aus ihrer Region und damit deren Probleme. Sie wisse, wie sie von den „neuen Herren“ belogen würden, wenn es zum Beispiel um die Genehmigung von Anträgen ginge. Und: „Hier werde ich laut sagen, wie's dort ist, meinen Bauern werde ich erzählen, wie's hier läuft.“ Sozialismus, sozialistische Politik, solche Begriffe verwenden die beiden PDS- Parlamentarierinnen kaum, wenn sie von dem sprechen, was sie in den nächsten vier Jahren vermutlich tun werden. Sie sei 1988 in die SED eingetreten, weil sie Gorbatschows Politik gut und richtig fand. Ende 1989 „hab' ich mir gedacht, wenn sich was ändern soll, muß man was tun, das mach' ich jetzt“ bescheidet Solveig Wegener dazu knapp. Wie Dagmar Enkelmann ist sie zuversichtlich, daß sie „etwas Neues“ in die Bonner Republik hereintragen können.

„Wir sind es, die die Diskussion anfangen müssen“, „von uns muß das ausgehen“, sagen beide Frauen ein paar Mal, etwa als es um den Vergleich von bundesdeutschen Geheimdiensten mit der Stasi geht. Oder, als Dagmar Enkelmann über die „Frauenpolitik mancher Feministinnen“ hierzulande spricht, „die die Männer viel zu sehr ausschließt und damit kontraproduktiv ist.“

Was es auch sein mag, dieses „ganz andere“, von dem Dagmar Enkelmann und Solveig Wegener sprechen: Die Bonner Abgeordneten machen es ihren 24 neuen KollegInnen von der PDS schwer, dies ins Parlament einzubringen. Vor ein paar Tagen entschieden die parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen, daß den Abgeordneten der PDS kein Stimmrecht in den Ausschüssen und im Ältestenrat des Bundestages und weniger Redezeit in den Debatten zusteht. Begründet wurde dies formal: Für den Fraktionsstatus reiche die Zahl von 24 Abgeordneten eben nicht. Also habe die PDS auch keinen Anspruch auf alle Rechte einer Fraktion und bekäme nur halb soviel Geld.

Als Dagmar Enkelmann ein paar JournalistInnen davon berichtet, lächelt sie und sagt, das sie das „eigentlich kaum in Ordnung“ findet, sich aber in den wenigen Wochen bis zur Wahl nicht querstellen wird. Kaum hat sie ausgesprochen, braust Solveig Wegener auf: Auf gar keinen Fall werde sie sich damit zufriedengeben. Der Fraktionsstatus müsse der PDS ausnahmsweise zuerkannt werden, weil die Partei bislang nicht in der Bundesrepublik zu Wahlen antreten konnte. „Wir hatten ja gar keine Chance, Fraktionsstärke zu erringen. Daraus dreht man uns jetzt einen Strick.“ Das Bundesverfassungsgericht anzurufen, schlug Solveig Wegener darum für den Fall vor, daß der Ältestenrat und Bundestag in der nächsten Woche nicht anders entscheiden als die Geschäftsführer. Die Fraktion ist diesem Vorschlag inzwischen mehrheitlich gefolgt. Auch dagegen, daß sie im Plenarsaal des Bundestages in einem hinteren Eckchen plaziert wurden, haben die PDS-Angeordneten in Bonn protestiert.

Warum die PDS-Abgeordnete Solveig Wegener sich für die wenigen Wochen bis zur Wahl, in denen parlamentarisch ohnehin kaum noch Wichtiges geschieht, so ins Zeug legt? „Wir brauchen für die Arbeit hier in Bonn alle Chancen, die uns zustehen. Nicht mehr, und kein bißchen weniger“. Ferdos Forudastan

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